Dienstag, 2. März 2010

Fotos Januar/ Februar


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4. Erfahrungsbericht – SUENINOS

Im letzten Bericht habe ich hauptsächlich über meine Eindrücke berichtet, die ich während unserer Rundreise durch Mittelamerika gesammelt habe.

In diesem Bericht möchte ich einmal nur auf die Arbeit eingehen, auf die verschiedenen Bereiche -areas- die es bei Sueniños gibt, auf besondere Ereignisse, auf Schwierigkeiten, auf die Kinder und auf vieles mehr.
Dazu möchte ich den Bericht in 4 Teile unterteilen:

1.) Arbeit im Suenicos
2.) Sueniños allgemein
3.) „area autocuidado“
4.) „circo de los sueños“



Suenicos bedeutet „Sueniños in den colonias“ und ist im Grunde ein vereinfachtes Freizeitangebot für arme indigene Kindern, welches direkt vor Ort in ihren Wohnbezirken angeboten wird. Ein Unterschied zu dem Hauptprojekt Sueniños besteht darin, dass Suenicos für alle Kinder des Wohnbezirks offen ist, das heißt egal aus welcher Familiensituation sie stammen, die Kinder dürfen alle an dem 2-stündigen Workshopangebot am Nachmittag teilnehmen. Einzige Bedingung ist, dass sie nicht mehr als einmal die Woche fehlen und Motivation und Anstrengung zeigen. Material und sogar einen kleinen Snack kurz vor Schluss wird jedem Kind zur Verfügung gestellt.
Mir gefällt die Idee dieses Unterprojekts sehr gut. Viele der Kinder sind Straßenverkäufer und verbringen damit ihre freien Nachmittage. Durch dieses Angebot bekommen sie eine andere Perspektive und können wirklich Kind sein.
Anfangs war die Resonanz der Kinder sehr positiv. Im ersten Abschnitt boten wir drei verschiedene Workshops an: Puppen aus Kochlöffeln basteln, Trommeln bauen und Gipsmasken erstellen. Es kamen so viele Kinder (um die 60), dass wir in der ersten Woche gar nicht allen Interessierten einen Platz anbieten konnten. Da wir aber für 6 Wochen in der colonia „5° de marzo“ anwesend waren, bekamen die Kinder in den folgenden Wochen noch weitere Chancen mitzumachen. Sie durften so oft sie wollten teilnhemen, im besten Fall alle 6 Wochen. Diejenigen, die mit Freude dabei waren nahmen wir besonders gerne von Woche zu Woche wieder neu in unsere Workshops auf.
Ich arbeitete mit Barbara, einer österreichischen Mitarbeitern zusammen, und wir bauten Trommeln aus Blumentöpfen mit den Kindern. Zuerst beklebten wir den Topf mit buntem Transparentpapier und bohrten ein Loch in den Boden, damit der Klangeffekt besser wird. Eine Plane diente als Trommelfell und wurde durch einige Kordeln am Boden fest zusammengeknotet und gespannt.
Neben der Konstruktion der Trommeln legten Barbara und ich ebenfalls großen Wert darauf, dass die Kinder lernten wir man mit Musik umgeht und welchen Effekt diese hervorrufen kann. Dies brachten wir ihnen mit Klatsch- und Rhythmusübungen näher. Zum Ende eines jeden Workshops hin gestalteten wir mit den Kindern ein kleines Orchester, in dem auch die selbstgebastelten Trommeln ihren Einsatz fanden.
Des Weiteren machten wir jeden Freitag, sprich am Ende einer Workshopwoche, eine kleine Präsentation, in der die verschiedenen Gruppen mittels einer einfachen Show ihre Arbeiten vorstellten. Dies diente dazu, dass die Kinder eine bessere Vorstellung bekamen, was genau in den anderen Workshops gemacht wurde und darüber hinaus lernten sie so vor einer größeren Gruppe aufzutreten.
Außerdem war ein großes Highlight für die Kinder, dass sie ihre Arbeiten mit nachhause nehmen durften! Sie genossen die Zeit im Suenicos sehr.
Umso trauriger und unverständlicher war es für mich, dass es vor Beginn der Workshops für uns so viel Aufwand und Überzeugungskraft kostete, überhaupt die Erlaubnis der colonia zu bekommen, dort arbeiten zu dürfen. Es hieß wir würden den Kindern keinerlei Vorteile verschaffen, stören und doch alles nur aus eigenem Interesse tun.

So war es zunächst ebenfalls schwierig unseren Plan umzusetzen, die gemeinsame Weihnachtsfeier „posada“ von Sueniños und Suenicos in der colonia 5° de marzo zu veranstalten. Letztendlich leisteten wir jedoch gute Überzeugungsarbeit und die Weihnachtsfeier war ein voller Erfolg! Die Kinder von Sueniños zeigten verschiedene Performances zu Jonglage, Clownerie, Hullahuppreifen und einer selbst entworfenen, ca. 3 Meter großen Riesenpuppe, die von den Kindern geführt wurde.
Wir von Suenicos hatten mit den Kindern 2 Wochen vor der Feier angefangen ein kleines Theaterstück mit Tanz- und Musikeinlagen einzustudieren, was wir an dem besagten Tag unter dem Titel „viaje de los angeles“ (Die Reise der Engel) vorführten. Es klappte super, ich war richtig stolz auf die Kinder.
Alle Eltern, Geschwister und Lehrer waren ebenfalls eingeladen und mit einem solchen Publikum wurde der Tag zu einem vollen Erfolg und mit einem kleinen Geschenk für jedes teilgenommene Kind beendet.

Insgesamt lässt sich sagen, dass die Arbeit im Suenicos wirklich interessant ist, da man mit sehr unterschiedlichen Kindern zusammen arbeitet. Deutlich wird dies z.B. dadurch, wie verschieden die Kinder an eine Aufgabe herangehen und wie unterschiedlich der Erfolg am Ende ist. Bei einigen beobachtete man ein sehr positives und selbstständiges Arbeiten, andere wiederum konnten mit 10 Jahren kaum einen Kreis ausschneiden. Auch in ihrer Verhaltensweise ließen sich große Unterschiede zwischen den Kindern feststellen. Einige waren sehr fordernd, andere total schüchtern und wiederum andere wirklich frech.
Da es jedoch für fast alle das erste Mal war an einem solchen Freizeitangebot teilnehmen zu können, waren sie sehr dankbar für unsere Arbeit. Dies machte mir sehr viel Freude!
Nun -einige Monate später- kann ich sagen, dass diese offensichtliche Dankbarkeit im Sueniños leider einigen Kindern schon verloren gegangen ist…

Jetzt mögen sich einige wundern und fragen: Wie das fehlt ihr jetzt? Arbeitet sie denn nicht mehr mit den Kindern in Suenicos zusammen?
Richtig, es hat ein Wechsel gegeben und seit Januar arbeite ich nun wieder im Hauptprojekt Sueniños. Wie es dazu kam und meine Beweggründe möchte ich im übernächsten Abschnitt dieses Berichtes gerne weiter erläutern.


Zunächst aber einmal zu Sueniños. Sueniños („Traumkinder“) ist das Hauptpojekt der Organisation DESAC (desarollo educativo Sueniños Asociación Civil), der Ort an dem die Kinder die meiste Zeit verbringen. Es ist ein Zentrum am Rande der Stadt, welches einigen Kindern der zwei Viertel 5° de marzo und 1° de enero ein komplettes Nachmittagsprogramm und Unterstützung in jeglicher Hinsicht bietet. Ich habe selbst noch nicht herausfinden können, nach genau welchen Kriterien die Kinder ausgesucht werden, die hierher kommen dürfen. Zur Zeit finden 39 Kinder der Primaria (Grundstufe) und 13 „pollitos“ („Hühnchen“ – sprich die ganz KleinenJ ) ihren Platz.
Nach der Schule werden sie mit zwei Bussen heraufgebracht und bekommen zunächst einmal eine warme Mahlzeit und haben freie Spielzeit. Danach beginnen um 15h zwei Stunden „area“. Das heißt, die Kinder dürfen zwischen fünf verschiedenen Bereichen jeweils für eine Stunde wählen. Angebote sind eine Bibliothek, kreatives Gestalten, Hausaufgabenhilfe, Körperpflege und ein Bereich, in dem die 8 Teilleistungen spielerisch verbessert werden sollen.
In der Bibliothek mit dem Namen „Buho soñador“ sollen Lesefertigkeiten und kreatives Schreiben geschult werden. Im kreativen Bereich, welcher den Namen „Colores de Quetzal“ trägt wird viel gebastelt und gemalt. Die Hausaufgabenhilfe „Sabio Jaguar“ lässt sich mit der Nachhilfe vergleichen und im Salon der 8 Teilleistungen „Canto de Caracol“ arbeiten zur Zeit zwei Freiwillige mit den Kindern u.a. an der Verbesserung ihres optischen und akustischen Unterscheidungs- und Erinnerungsvermögens. Als fünfte area wird die Körperpflegea geboten. Diese area trägt den Namen „agua del cielo“ – „Wasser des Himmels“ und ist mein Arbeitsbereich. Hierauf werde ich später noch sehr viel genauer eingehen.

Nach den zwei Stunden area gibt es eine Stunde proyecto. Das Thema hierzu wechselt ca. drei Mal im Jahr. Angefangen wurde mit dem Thema „Reisen durch die Kulturen“. Angeboten wurden die vier Kulturen Massai (Afrika), Maya (Mexiko), China und Griechenland. Die Kinder durften zu Anfang der Etappe entscheiden, über welche Kultur sie mehr lernen möchten. Diese Möglichkeit des Auswählens ist ein wichtiger Punkt in Sueniños – die Kinder sollen selbst entscheiden dürfen, was ihnen den meisten Spaß macht und wo sie sich am besten einbringen können. Mit den areas wird es genauso gehandhabt, es ist völlig und allein die Entscheidung der Kinder für welche zwei Bereiche sie sich an einem Tag entscheiden. Die tutorias, also Tutoren überprüfen am Ende der Woche lediglich, dass ein Kind nicht 5 Mal zum kreativen Gestalten gegangen ist und niemals seine Hausaufgaben machte…

Wieder zurück zur Stunde der proyecto von 17-18 Uhr. Nach der Etappe des „Kulturprojekts“ gab es ein relativ offen gehaltenes „circo-proyecto“ mit den Angeboten Clownerie, Jonglage, Riesenpuppen entwerfen und rhythmische Sportbewegung und Tanz. Teile dieses Zirkusprojektes wurden damals während der großen Weihnachtsfeier in der colonia von den Sueniños-Kindern aufgeführt.
Nach den Weihnachtsferien begann ein sehr großer neuer Abschnitt der 1-stündigen Projektphase: Das Thema „Zirkus und Schauspielerei“. Dazu gab es folgende fünf Gruppen: Schauspieler, Cheerleader, Clowns, Pyramiden und Fallschirm. Von 17-18h probten die Kinder täglich in ihren Gruppen eine kleine Performance, die am 6. Februar – dem 5. Geburtstag Sueniños – im Stadtzentrum aufgeführt werden sollte. Die Zeit war nicht lang und so mussten die Kinder alles geben, damit am Ende ein so wunderbarer Auftritt des „el circo de los sueños“ möglich war.
Dieses Riesen-Event werde ich in diesem Bericht als 4. Punkt noch sehr viel genauer beschreiben. Ebenfalls wie meine Arbeit mit den Kindern der Pyramidengruppe verlief – in der Vorbereitung, als auch während des großen Auftritts.

Jetzt möchte ich jedoch noch kurz den Tagesablauf im Sueniños fertig erläutern und auf einige weitere Punkte dieses Hauptprojekts eingehen…
Um 18h, wenn also die Stunde des proyecto vorbei ist, bekommen die Kinder einen kleinen Snack, genannt „merienda“. Dies ist meist eine Schale Milchreis, ein paar Kekse und Kakao, Pfannkuchen oder Haferschleim. Wirklich gesund ist die merienda nicht und deshalb bin ich kein großer Fan von dieser. Ganz im Gegenteil dazu muss ich aber sagen, dass das Mittagessen für die Kinder sehr gesund gekocht wird. Drei Mal die Woche gibt es Fleisch, eigentlich immer Gemüse und Reis und natürlich – schließlich leben wir hier in Mexiko J - tortillas zum Essen.
Nach der merienda haben die Kinder eine knappe halbe Stunde, um sich im Garten einfach auszutoben, zu schaukeln, Murmeln zu spielen oder was ganz vielen große Freude bereitet, Seil zu springen. Dabei singe ich immer:

„ La baca lechera, le dijó a lechero, pagame la renta del mes enero – febrero, marzo, abril, mayo, junio, julio, agosto, septiembre, octubre, noviembre, diciembre.
Changita, changita date la vuelta, date vuelta, toca el piso y salta por afuera!”

Dieses Lied haben mir die Mädels beigebracht J
Um halb sieben circa kommen die zwei Busse, um die Kinder nach einem langen Tag nachhause zu bringen.
Dann ist auch ein Arbeitstag für mich bei Sueniños beendet, ich schwinge mich auf mein Fahrrad und fahre ca. 30 Minuten bis nachhause.

Was es sonst noch zu Sueniños zu sagen gibt ist, dass es vor fünf Jahren von einem Österreicher Christian und seiner mexikanischen Frau Alma gegründet wurde. Ihr Traum war es, so vielen Kindern wie möglich ein sinnvolles Freizeitprogramm nach der Schule anzubieten. Gerade Kinder solcher Familien, die kein Geld haben ihren Kindern viel zu bieten und wo die Kinder oft zum Familieneinkommen mit beitragen müssen, sollten ihren Platz im Sueniños finden.
Die Eltern bezahlen kein Geld dafür, dass ihre Kinder an diesem Programm teilnehmen. Einzige Verpflichtung ist, dass sie einmal im Monat zu Sueniños kommen und für einen Tag in der Küche und beim Putzen mithelfen. Des Weiteren finden jeden Sonntag Workshops für die Eltern statt, die u.a. gesunde Ernährung, Umgang mit den Kindern, Hygiene etc. behandeln. Hier müssen die Eltern regelmäßig teilnehmen, damit ihr Kind weiterhin zu Sueniños kommen kann. Wenn ich hier von Workshops für Eltern spreche, muss man das allerdings ein wenig einschränken. Bis auf ganz wenige Familien (vielleicht zwei oder drei) sind es doch immer nur die Mütter, die zu den Sonntags-Workshops kommen oder in der Küche helfen.
Viele Kinder von Sueniños haben keinen Papa, weil dieser weggelaufen, gestorben oder dem Alkohol verfallen ist… Darüber hinaus ist der machismus auch in Mexiko nach wie vor weit verbreitet, sodass es der Mann gar nicht einsieht, warum er sich die Mühe machen sollte zu helfen. Das ist sehr schade!

Eine weitere Unterstützung, die Sueniños den Familien gibt ist materieller Art. Am Anfang des Schuljahres bekommt jedes Kind Blöcke, Stifte und einen Ranzen geschenkt. Darüber hinaus bekommen die Familien für ihre Kinder in bestimmten Zeitabständen neue Hosen, Schuhe und Socken für die Kinder. Diese Unterstützung ist sehr wichtig, wobei ich mir nicht immer ganz sicher bin wo beispielsweise die neuen Klamotten landen. Dennoch kommen nämlich viele Kinder mit stinkigen Klamotten und Schuhen, deren Sohle schon komplett durchgelaufen und durchlöchert ist, ins Projekt. Außerdem sehen es die Mütter teilweise als eine Selbstverständlichkeit an, dass alle ihre zehn Kinder (und nur zwei von ihnen sind Teil des Sueniños) diese Geschenke erhalten und wollen mehr und mehr.
Dies ist ein Problem, dass mir auch schon bei den Kindern deutlich wird. Sueniños ist eben ein reiches Projekt und bietet den Kindern viel. Aus dem Grunde geht es meiner Meinung nach teilweise verloren die kleinen Dinge zu schätzen und Geschenke sind für einige nichts Besonderes mehr. Dies finde ich schade, doch es ist sehr sehr schwer hier ein Mittelmaß zu finden…
Klar ist, dass Sueniños eine tolle Möglichkeit für die Kinder ist, die nicht vielen Kindern offen steht.


Im letzten Abschnitt habe ich erwähnt, dass während der zwei Stunden von 15-17h areas angeboten werden. Nun möchte ich genauer meine area „autocuidado“ beschreiben.

Seit Januar arbeite ich hier mit Lisa, einer österreichischen Freiwilligen und sehr guten Freundin zusammen.
Dass ich nun wieder Teil des Hauptprojekts bin und nicht mehr bei Suenicos arbeite, hatte ich schon im 1. Abschnitt kurz erläutert.
Ich möchte, dass ihr ein wenig besser versteht, warum dieser Wechsel für mich nötig oder vielleicht doch besser gesagt ein großer Wunsch für mich war…
Die Arbeit mit den Kindern in Suenicos an sich hat mir sehr viel Spaß gemacht und war wirklich interessiert. Traurig war, dass diese Arbeit mit den Kindern täglich nicht mehr als zwei, teilweise sogar nur ein und halb Stunden bedeutete. Der Rest war Planungsarbeit im Team, Vorbereitung der Stunden, Aufbauen und Abbauen der Materialen und Bewertungen schreiben. Diese Arbeit fand ich anfangs noch interessant, doch langfristig gesehen (auch in Proportionalität zur eigentlichen Arbeit) wurde ich damit nicht glücklich. Mir fehlte der Kontakt zu den Kindern und darüber hinaus war es schwierig eine wirkliche Beziehung zu ihnen aufzubauen, da sie von Woche zu Woche wechselten. Eng arbeitete ich mit Barbara zusammen, die eigentlich aus Österreich stammt, damals auch Freiwillige in Sueniños war, sich dann aber entschied ihr Leben hier in Mexiko fortzuführen. Von ihr konnte ich viel lernen, fand es aber gleichzeitig auch schade, in einer „europäischen Gruppe“ zu sein und nicht das mexikanische Arbeiten zu erleben. Die Workshops mit den Trommeln waren eine tolle Idee, gerne hätte ich darüber hinaus jedoch noch ganz eigene neue Ideen eingebracht und weitere, andere Dinge angeboten.
Aus diesen Gedanken heraus erstand letztendlich mein Wunsch innerhalb des Projektes zu wechseln.
Ich führte einige Gespräche mit der Projektleitung und mit Barbara und nach den Weihnachtsferien hieß es dann ein Wechsel wäre machbar. Ich war sehr glücklich über diese Entscheidung und vielleicht ging mir dadurch auch ein wenig verloren, wie viel Aufwand dieser Wechsel für Sueniños an sich doch bedeutete. Im Nachhinein erfuhr ich, dass sowohl die Projektleitung, als auch Barbara nicht wirklich glücklich mit meinem Wunsch waren, auf der anderen Seite mir aber auch kein nein geben wollten, da ich mit meiner damaligen Arbeit nicht zufrieden war.
So standen nach dem Wechsel einige Missverständnisse und nicht so schöne Dinge zwischen mir und dem Projekt, was mich seelisch ziemlich mitnahm. Ich hatte nicht gedacht, dass der Wechsel so negative Folgen haben könnte, gleichzeitig war ich aber doch sehr viel glücklicher mit meiner neuen Arbeit. So suchte ich später noch einmal das Gespräch, versuchte meine Beweggründe noch mal genauer zu beschreiben und sagte, dass ich ganz sicher nicht so viele Schwierigkeiten und Aufwand durch den Wechsel hervorrufen wollte. Ich denke das Gespräch war ein erster guter Ansatzpunkt, nichtsdestotrotz spüre ich immer noch einige negative Spannungen – und das macht mich sehr traurig!

Nun gut, jetzt arbeite ich also mit den Kindern des Sueniños zum Thema „autocuidado“, übersetzt in etwa „Selbstpflege“ zusammen. Im weitesten Sinne behandeln wir hier den eigenen Körper – was er von innen und von außen braucht, damit ich mich wohlfühle und es mir gut geht. Gesunde Ernährung ist hierbei ein wichtiges Thema und wird immer wieder angesprochen. Klar, dass solche Themen Kinder im Alter von 6 bis 14 eher weniger interessieren. Darum ist es eine große Herausforderung dies irgendwie ansprechend für sie zu gestalten.

Viel Zeit nimmt die aktive Körperpflege ein. Wenn es genügend Wasser gibt, dann bilden wir 4er Grüppchen Jungs und Mädchen getrennt, die eine halbe Stunde Zeit haben, um sich zu duschen und die Haare zu waschen. Für die Mädels ist es immer etwas ganz besonderes, wenn man ihnen zum Schluss einen Klecks Spülung in die Hand gibt J
„Dame más, dame más, quiero mi cabello muy suave…“ (Das heißt so viel wie „gib mir viel, ich will dass mein Haar schön weich wird“ )
So schaffen wir es also, dass an einem Tag mit Wasser ca. 35 Kinder die Chance haben sich frisch zu machen. Dieser Teil der area ist sehr wichtig, da viele der Kinder zuhause nicht die Möglichkeit haben sich zu duschen und natürlich fühlen sich bei einem dreckigen Körper Viren und Bakterien wohler, als bei einem frisch geduschten. Aus diesem Grund bekommen die Kinder im Sueniños zwei Mal im Jahr eine Läusekur. Dies ist sehr wichtig – sei sie vorbeugend oder schon dringend notwendig.
Nach dem Duschen geben wir den Kindern Creme, sie schneiden ihre Finger- und Fußnägel und die Jungs bekommen ein wenig Gel. So wie für die Mädels die Spülung, ist für die Jungs das Gel immer ein Hit und nicht selten passiert es, dass sie so viel davon benutzen, dass sie am Ende eher einer Ölsardine ähneln J Doch jedes Mal nach dem Duschen und Pflegen fühlen sich die Kinder sehr wohl in ihrer Haut und so soll es ja sein...
Momentan gibt es leider nur sehr selten genügend Wasser zum Duschen. Die Regenzeit fängt erst im Mai an und so kann es vorkommen, dass wir knapp zwei Wochen hintereinander den Kindern keine Möglichkeit zum Duschen bieten können.
Ist dies der Fall, müssen Lisa und ich die Kinder andersweilig beschäftigen.
Die letzten Wochen haben wir mit ihnen das Thema „mi cuerpo“ – mein Körper – angesprochen. Dazu wogen und maßen wir jedes Kind, rechneten den BMI aus, sprachen über den Aufbau des Körpers, seine Funktion und über die verschiedenen Körperteile. Außerdem schnitten wir in diesem Zusammenhang das Thema Hygiene an und machten mit den Kindern zwei Wochen lang jeweils die ersten 15 Minuten jeder Stunde einen „competición de la evaluación de la limpieza“ – eigentlich nichts anderes als einen Wettbewerb zur Sauberkeit. (Wettbewerbe sind immer ein super Ansporn für die Kinder, das habe ich schon gelerntJ)
Je nachdem wie ordentlich die Kinder ihre Nägel schnitten, ob sie mit gekämmten Haaren in die area kamen oder ob die Finger gründlich gewaschen waren, bekamen sie eine Punktzahl von 1-3. Am Ende der zwei Wochen stand ein Sieger fest, der von uns ein kleines Geschenk passend zum Thema bekam. Das Siegermädchen bekam Nagellack und einen Lipgloss und der Junge eine riesige Dose Gel!

Als zweites großes Thema behandeln wir gerade das Thema „nutricion“ – gesunde Ernährung. Angefangen haben wir mit einem Ernährungszirkel, der die verschiedenen Typen Essen aufzeigt. Hiermit wollen wir in den Kindern ein Bewusstsein hervorrufen, dass es wichtig ist sich ausgewogen, gesund und v.a. abwechslungsreich zu ernähren. Allerdings sind wir uns gleichzeitig nicht sicher, wie effektiv es wirklich ist, den Kindern diese Notwendigkeit deutlich zu machen. Letztendlich hängt es davon ab, was zuhause auf dem Tisch steht und das ist (auch aus Geldgründen) leider oft nicht das Beste. So gibt es zum Frühstück bei vielen Familien bloß Tortilla mit Café, das ist billig und stillst zunächst einmal den Hunger. Das wenige Geld, dass die Kinder bekommen um sich z.B. in der Schule eine Kleinigkeit zu kaufen, geben sie fast immer für „dulce“, also Süßigkeiten aus.
Für die Zukunft in der area planen wir deshalb mit den Kindern kleine Snacks zuzubereiten, die leicht gemacht und gesund sind. Vielleicht schaffen wir es dass sie merken, dass nicht nur Süßigkeiten lecker sind. Die nächsten Tage wollen wir beispielsweise mit einigen wenigen Kindern auf den Markt gehen, frisches Obst kaufen und daraus licuados machen. Licuados sind typisch für alle lateinamerikanischen Länder – lecker, frisch und total simpel. Eine Frucht wird mit Wasser oder Milch in den Mixer geworfen, vermischt und fertig ist ein gesunder und sättigender Drink. Außerdem planen wir mit den Kindern Haferflockenkekse, Obstsalat, einen grünen Salat, selbst gebackenes Brot und einige leichte Aufstriche zuzubereiten.
Neben diesen „ereignisreichen“ Stunden ist es uns auch sehr wichtig über ernste Themen wie Über-/ Untergewicht, Drogen- und Alkoholmissbrauch und Folgen von ungesundem Essen zu sprechen. Hierfür werden wir uns wahrscheinlich die Hilfe einer der maestros, also einer der festangestellten Mitarbeiter, erbitten. Das Spanisch ist zwar im Vergleich zu Anfang schon unglaublich gut und bei den Kindern hat man schon seinen Standpunkt gefunden, dennoch ist es für uns Freiwillige schwierig, dass die Kinder bei solch wichtigen und für sie weniger interessanten Themen wirklich mitmachen und einen Lerneffekt daraus ziehen.
Denn einfach über ein Thema erzählen, bei dem ich weiß, dass die Kinder am Ende genauso wenig wissen wie vorher, das möchte ich nicht…

Wenn das Thema der gesunden Ernährung abgehakt ist, haben Lisa und ich uns für die zwei weiteren großen Blöcke Gesundheit und als 4. Thema Sport entschieden. Ich denke damit wird dieses Schuljahr gut ausgefüllt sein und ich werde in Zukunft natürlich weiter berichten, welche (hoffentlichen) Erfolge in der area „autocuidado“ zu sehen sind und wie die Kinder die Themen aufnehmen.


El circo de los sueños“, das wahrscheinlich größte und bedeutendste Event in diesem Schuljahr für die ganze Organisation DESAC.
Wie schon weiter oben erwähnt, wurde Sueniños dieses Jahr 5 Jahre alt und das sollte gefeiert werden.
Öfters schon haben die Kids kleine Präsentationen einstudiert und diese vorgeführt. Dieses Mal sollte jedoch das erste Mal sein, dass Sueniños seine Pforten öffnet und die Kinder außerhalb, vor offenem Publikum, mitten im Stadtzentrum San Cristóbals ihr Können und ihre harte Arbeit der vorangegangenen Wochen präsentieren.
Nach den Weihnachtsferien gingen die Vorbereitungen los. In den fünf Gruppen Schauspieler, Cheerleader, Clowns, Pyramiden und Fallschirm probten wir jeden Tag eine Stunde mit den Kindern, in der Woche vor der großen Show sogar fast die ganzen 3 Stunden, die die Kinder im Projekt waren.
Die Idee war folgende: Ein Kind legt sich nach einem anstrengenden Schultag schlafen und träumt davon, was es später einmal werden möchte. Dieser Traum und die darin vorkommenden verschiedenen Berufe wurden durch die Gruppe der Schauspieler in fünf kleinen Sketchen vorgeführt. Als erstes träumte das Kind vom Beruf „maestro“ also Lehrer, daraufhin wollte es „medico“ Arzt werden, der nächste Traum war „roquero“ Rockstar, als viertes träumte es von einem „artista“ – Künstler und zuletzt wollte es „scientifico“ Wissenschaftler werden. Die Sketche wurden stumm gespielt, das heißt dass alle Geräusche und Effekte technisch mit eingespielt wurden. Der Idee dahinter war, dass die Kinder ohnehin schon sehr aufgeregt waren (für viele war es das erste Mal überhaupt auf der Bühne zu stehen) und wir wollten vermeiden, dass sie plötzlich ihre kompletten Texte vergessen. Jeder Sketch beinhaltete darüber hinaus einige kleine Witze, sodass es für die Zuschauer sicher nicht langweilig wurde.

Zwischen den Sketchen traten die vier weiteren Gruppen mit ihren Showeinlagen auf. Mit den sechs Kindern, mit denen ich in einer Gruppe arbeitete, probten wir fünf verschiedene Pyramiden ein. Von Zwei-Mann- bis tatsächlichen Sechs-Mann-Pyramiden war alles dabei. Als Nebeneffekt studierten wir eine kleine Show mit verschiedenen Bewegungsabläufen ein und alles präsentierten wir zum Lied Mission Impossible.
Der Tag des 6. Februar, auf den alle so lange gewartet hatten, begann für uns Mitarbeiter und Freiwillige schon sehr früh. Das ganze Material musste ins Zentrum gebracht und die Zirkusarena aufgebaut werden.
Gleichzeitig verteilten wir Flyer an Passanten, vor allem Familien mit Kindern, um sie auf die Zirkusvorstellung, die für alle zugänglich und gratis sein sollte, aufmerksam zu machen. Schon hier merkten wir, dass es wohl ein großes Event werden würde, denn viele zeigten großes Interesse.
Mittags empfingen wir die Sueniños-Kinder in Stadtzentrum. Mit ihnen hieß es letzte Informationen austauschen, ihren Auftritt noch einmal durchgehen und anschließend in den Fußgängerzonen mit kleinen Showeinlagen und weiteren Flyern Werbung für den Abend zu machen.

Um halb sechs begann der erste Teil des circo de los sueños – ein riesiger Aufmarsch „desfile“ mit allen beteiligten Kindern durch das Stadtzentrum San Cristóbals. Passanten und Kinder, die sich unserem Marsch anschließen wollten, wurden dazu herzlich eingeladen und bekamen Rasseln und Masken geschenkt, um dem Ganzen einen noch größeren Auftritt zu verleihen.
Die Stimmung war super und eine große Masse an Menschen zog so vom „Santa Domingo“ – dem Kunsthandwerkmarkt der Stadt mit uns in Richtung Zentrum, wo die Zirkusmanege schon in ihren bunten leuchtenden Farben strahlte.
Als alle Platz gefunden haben und der Vorplatz gut voll war, begann der Hauptteil der Präsentation: Der eigentliche circo de los sueños. So wie wir es die zwei Wochen vorher einstudiert hatten, führten die Schauspieler ihre Sketche vor und die anderen Gruppen glänzten mit ihren Showeinlagen zwischendrin. Es war großartig!
Zu aller letzt versammelten sich alle Beteiligten in der Manege des Zirkuszelts und wir sangen gemeinsam das Sueniños-Lied. Symbolisch wurde ein kleiner Heißluftballon losgelassen, der wie die Träume auf zum Himmel steigen sollte…


Dies war mein 4. Bericht, ich hoffe ihr fandet ihn genauso interessant wie die vorigen und habt nun eine noch bessere Vorstellung, was ich hier zum Großteil meiner Zeit – nämlich in der Arbeit im Sueniños mache.

Anfang März werde ich zusammen mit Judith, Schoko und Schorsch nach Nicaragua reisen, da wir dort für knapp zwei Wochen ein Treffen mit allen anderen WISE-Mittelamerika-Freiwilligen haben.
Wenn ich zurück komme werde ich eine weitere Woche arbeiten und dann fangen hier die Osterferien mit den traditionellen Umzügen der Semana Santa an. Drei Freunde aus Deutschland werden mich zu dieser Zeit besuchen und wir werden gemeinsam in Mexiko rumreisen.
Im nächsten Bericht werdet ihr also sicher einiges über neue Eindrücke und andere Gegenden (v.a. Zentralmexiko und die Hauptstadt) lesen können.

Bis dahin wünsche ich euch allen alles Gute, dass in Deutschland auch so langsam der Frühling rauskommt und in weiter Ferne Frohe Ostern J

Vor allem wünsche ich auch Jeannette viel Kraft in Deutschland und hoffe, dass alles so klappt wie sie sich es wünscht.
Wie ja sicher die meisten wissen, habe ich bisher mit Jeannette und Judith in einer 3er-WG zusammen gelebt. Jeannette ist jedoch aus persönlichen Gründen diese Woche zurück nach Deutschland gekehrt. Wir vermissen sie hier sehr und wünschen ihr das Beste!


Fühlt euch alle gedrückt, ganz liebe Grüße aus Mexiko,
eure Tine