Mittwoch, 30. Juni 2010

7. Erfahrungsbericht

Da der letzte Bericht mehr eine Schilderung war und ich nicht von Ereignissen in meinem Leben hier berichtet habe, werde ich in diesem 7. Erfahrungsbericht auch einige etwas ältere Punkte aufgreifen. Es ist tatsächlich schon der vorletzte Bericht, bevor ich meine große Heimreise nach Deutschland antreten werde. Es fehlt nicht viel bis Ende August, wenn drei neue Freiwillige uns hier ersetzen werden. Ich nutze die letzte Zeit noch so gut wie möglich aus und genieße jeden Tag in diesem wunderschönen Land, in dieser wundervollen Stadt San Cristóbal.
Und nun viel Spaß beim Lesen!

Als erstes möchte ich über den „Dia del niño“ berichten, der hier in Mexiko ganz groß gefeiert wird und auf den sich natürlich die Kinder ganz besonders freuen, da – wie der Name es schon sagt – hier das Kindsein gefeiert wird. So warten alle ganz gespannt auf den 30. April, hoffen auf
leckeres Essen, viele Süßigkeiten und einen spannenden Tag voller Spiele und Spaß. Da ich hier als Freiwillige in einem Kinderprojekt arbeite, wollten wir als Sueniños-Organisation den Kindern natürlich einen unvergesslichen Tag gestalten. So überlegten wir alle gemeinsam im Vornhinein welche Spiele gespielt und welche Geschenke verteilt werden sollten. Letztendlich teilten wir die Kinder in fünf Gruppen ein, in denen sie Stationen wie Fußballwandschießen,
Luftballondartwerfen, Kino, Schattentheater und Schokoladenauspacken durchliefen. Letztere war meine Station – ich schlug sie vor, da ich mir nicht vorstellen konnte, dass mexikanische Kinder bei diesem Spiel weniger Spaß haben könnten als deutsche. Und tatsächlich, sie liebten es, der Würfel wurde überhektisch weiter gegeben, alle warteten auf eine sechs, war der nächste an der Reihe, wurde dem Vorherigen Mütze, Schal und Handschuh buchstäblich vom Kopf gerissen und mit voller Eifer weiter das Zeitungspapier um die Schokolade ausgepackt. Es war herrlich, ich hatte einen riesen Spaß den Kindern und ihren begeisterten Gesichtern zuzuschauen. Zum Abschied gab es eine riesige Torte für alle und natürlich Süßigkeiten. Die mexikanische Tradition einer piñata ließen wir im Projekt weg, da den Kindern an diesem Tag in fast allen Schule dieser Spaß schon gegönnt wird. Eine piñata ist eine Figur aus einem Tonkörper, beklebt mit viel buntem Papier, aufgehängt an einem langen Seil. Mit verbundenen Augen müssen die Kinder versuchen mit einer Art Baseballschläger diese Figur zu zerhauen. Das schwierige dabei ist, dass die Figur ständig in Bewegung ist und es so meist einige Runden dauert, bis die mit Süßigkeiten gefüllte piñata zerbricht und sich die gesamten Süßigkeiten über den Boden verteilen. Diese Tradition wird eigentlich an jedem Kindergeburtstag und an besonderen Festlichkeiten ausgeübt und ich muss sagen, dass auch mir sie besonders gefällt und ich schon meinen Spaß damit hatte :)
Zusätzlich haben wir einen Tag vorher in dem Stadtviertel „Explanada del Carmen“ die Aufführung des „Zirkus der Träume“ wiederholt. Eingeladen wurden alle Kinder und mit einer kleinen Geschenktüte zum Schluss sollten auch sie ihr Kindsein genießen können.

Kurz drauf, nämlich am 10. Mai wurde hier der „Dia de la mamá“ gefeiert. Anders als in Deutschland ist er immer am 10. Mai und wird – so wie ich es mitbekommen habe – auch
größer gefeiert. Ich hatte das Glück am Sonntag bei dem Elternworkshop Suemapas dabei sein zu dürfen und habe so mit den Eltern der Projektkinder schon einen Tag früher gefeiert. Ebenfalls wie am Dia del niño boten wir verschiedene Stationen an, die die Eltern (bis auf einen Papa kamen wie immer nur Mamas) durchliefen. Ein weiteres Mal wurde bei mir Schokoladenauspacken gespielt und ich fand es klasse, wie selbst die Erwachsenen einen solchen Spaß daran gefunden haben J Sehr interessant war, wie verschieden die Mamas auf das Spiel reagierten. So machten einige voller Elan mit, andere trauten sich nicht wirklich und wieder andere wusste nicht einmal wie man einen Würfel benutzt. Im Allen war der Tag genial, vor allem weil ich so zum ersten Mal einen näheren Kontakt zu den Eltern hatte und sie einmal in ihrer Art kennenlernen durfte. Die Eltern sind sehr verschieden, einige sprechen sehr gut Spanisch und unterhielten sich über Gott und die Welt mit mir, andere waren noch sehr traditionell und gingen ganz vorsichtig mit mir um und waren sehr höflich. Besonders viel Kraft gab mir der Kommentar einer Mama, die sich im Namen aller bei uns Freiwilligen herzlich bedankte, dass wir uns jeden Tag so liebevoll und mit Elan um ihre Kinder kümmern. Am Tag drauf fragte ich einige meiner Kinder, wie sie ihre Mama zum Muttertag glücklich gemacht haben. Ganz besonders süß fand ich Pancho, wie er mir erzählte, dass er ganz lange vorher 50$ (das sind etwa 3€) gespart habe, um mit seinen Geschwistern ihrer Mama einen Kuchen schenken zu können. Außerdem backte ich Kekse mit den Kindern, die wir als Herzform und mit bunten Kügelchen dekorierten. So viel Mühe wie die Kinder in das Dekorieren steckten, müssen sie ihre Mamas wirklich lieb haben!
Wenn ich ganz ehrlich bin bezweifele ich, dass sie sich zum Vatertag (der nach meinem Wissen in Mexiko gar nicht gefeiert wird) genauso viel Mühe geben würden. Oft ist es einfach so, dass der Papa sich nicht wirklich um die Kinder kümmert, teilweise sogar andere Frauen nachhause bringt und dies auch keineswegs vor seinen Kindern versteckt.

Wo wir doch gerade beim Thema „Mama“ waren. Zwar nicht ganz pünktlich zum Muttertag,
aber am 14. Mai kam mich dann meine Mama besuchen. Wir verbrachten drei wundervolle
Wochen gemeinsam, unternahmen kleine Ausflüge wie zu verschiedenen Wasserfällen, dem Strand und zu der Ruinenstätte Palenque. Über die Entstehung dieser Stätte und die Mayakultur möchte ich in diesem 7. Bericht ebenfalls ein wenig berichten.
Palenque ist eine der bedeutendsten Städte der Maya und gehört heutzutage zu den bekanntesten Ruinen ganz Mexikos. 1987 wurde sie zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Die Ruinen liegen mitten im Dschungel und die dort lebende Bevölkerung, die lacandonen werden als direkte Nachkommen der ehemaligen Bewohner Palenques betrachtet. Die ersten Spuren der Besiedelung Palenques lassen sich im vierten Jahrhundert nach Christus nachweisen. Der erste historisch bekannte König war K'uk' B'alam I. (431-435 nach Christus). Im 6. Jahrhundert entwickelte sich Palenque zu einer lokalen Großmacht und hatte großen Einfluss auf seine Nachbarstädte. Mittlerweile wurde die Stadt für Touristen geöffnet, wenn auch bis heute erst fünf Prozent der Bauten freigelegt sind. Der Rest ist sozusagen noch vom Dschungel „verschlungen“. Die ersten Ausgrabungen fanden 1940 statt und dauern noch immer an. Wie schon oben erwähnt, war Palenque damals eine bedeutende Maya Stadt.
Die Maya sind ein indigenes Volk in Mittelamerika, die neben den Azteken die größte Bevölkerung in Mexiko ausmachten. Die Maya lebten in Süd- und Südost-Mexiko (Yucatán) sowie in Teilen von Guatemala, Honduras und Belize. Dieses ausgedehnte Gebiet umfasste ungefähr 350.000 km². Heute leben zirka 6,1 Millionen Maya auf der Yucatán-Halbinsel sowie in Belize, Guatemala und Honduras. In Guatemala zählen etwa 40 % der Gesamtbevölkerung zu den Maya – in Belize sind es rund 10 %. Auch heute noch leben die meisten Maya vom Maisanbau. Die heutige Mayareligion ist eine Mischung aus Christentum und alten Maya-Traditionen. Als noch sehr traditionell lebende Gruppe sind die Lacandonen, ein Dschungelvolk in Chiapas, bekannt. Sie erkennt man an ihrer traditionellen Tracht eines einfachen weißen Baumwollgewands. Wie bei anderen indigenen Kulturen Mittelamerikas spielt auch bei den Maya das menschliche Blut eine besondere Rolle. Aus Sicht der Maya war das Blut Sitz der Seele und Lebenskraft. So waren Menschenopfer durchaus üblich. Die Art der rituellen Hinrichtungen reichte von Köpfen, Ertränken, Erhängen, Steinigen, Vergiften, Verstümmeln bis hin zu lebendig begraben. Zu den grausamsten Tötungsarten gehörte wie bei den Azteken das Aufschlitzen des Bauches und das Herausreißen des noch schlagenden Herzens.

Was in einem Erfahrungsbericht des Monats Juni natürlich auch nicht fehlen darf ist das aktuelle Thema der Fußball WM. Nicht nur in Deutschland wird diese mit viel Spannung, Freude, Nervenkitzel und die ein oder andere Enttäuschung verfolgt. Auch die Mexikaner lassen alles liegen und stehen, wenn es um das Thema Fußball und die WM geht. Die Läden verdienen an etlichen Fanartikeln, die Bars freuen sich über mehr Einnahmen und die Bevölkerung über spannende Partien und ihre Stars des mexikanischen Nationalteams. An einem Spieltag trifft man sich dann mit seinen Freunden um 9 Uhr in der früh oder um halb zwei mittags (bzw. um 6h morgens wenn Deutschland spielt :) ) in einer der vielen Bars, bestellt eine Runde Bier für alle und feuert mit Rufen wie „viva México“ (es lebe Mexiko!) oder „vamos équipo, vamos“ (auf
geht’s Team, looos!) die grünen Spieler an. Es ist in der Tat eine neue Erfahrung die Spiele mal am Morgen zu sehen, so müssen wir hier doch mit 7 Stunden „Verspätung“ mitfiebern. Mir gefällt die Stimmung, sie ist aber bei weitem nicht so wild wie in Deutschland. Es gibt keine „Autokorsos“, man sieht nicht mehr Flaggen als sonst auch an den Häusern hängen und riesige public viewing so wie ich sie aus Frankfurt kenne, gibt es hier auch nicht. Es wird eben anders gefeiert! Außerdem muss man dazu sagen, dass Basketball nach wie vor der Volkssport der Mexikaner ist, wobei Fußball schon gut aufholt. Ich genieße die Zeit der Fußball-WM hier sehr. Durch meine Arbeitszeit, die bis auf wenige Ausnahmen größtenteils auf den Nachmittag fällt, ist es mir möglich alle Spiele zu verfolgen und mit Freunden gespannt vor dem Fernseher zu sitzen.
Auch die Kids aus dem Projekt sind total im Fußballfieber. Stolz hat mir Emma erzählt, wie
sie am 1. Spieltag gegen Südafrika extra einen Fernsehapparat mit in die Schule genommen haben und bei refresco und palomitas (Softdrink und Popcorn) das Spiel gemeinsam geschaut
haben – statt Schule! Wenn dann wieder einmal Mexiko gespielt hat, unterhalte ich mich mit den Jungs beim Mittagsessen darüber, wie gut „Geovanni“ doch wieder gespielt hat oder dass
„conejo“ (der Torhüter, der den Spitzname „Hase“ trägt) das eine Tor doch hätte halten können. Seit kurzem ist auf dem Hauptlatz vor der Kathedrale auch eine Leinwand aufgebaut. Im Vergleich zu dem, was man aus Deutschland kennt, wirklich klein (vielleicht 3x4 Meter). Doch es ist etwas besonderes, dass so wirklich alle die WM mitverfolgen können und ihr Team anfeuern können. Dazu gibt es sogar Freibier und Freicocacola für alle. Mittlerweile weiß ich, dass dies eine Wahlkampagne einer der Bürgermeister-Kandidatinnen war, die Anfang Juli stattfinden wird. Mit Geschenken und ähnlichen Events versuchen sie die Wähler von sich zu überzeugen – und es klappt.
Heute am 27. Juni 2010 muss ich diesen Abschnitt zur Fußball WM leider schon beenden. Mexiko hat im Achtelfinale 3:1 gegen Argentinien verloren und muss nun Südafrika hinter sich lassen. Doch am nächsten Samstag wird Deutschland auf Argentinien treffen und dann zeigen wir ihnen mal wo der Hammer hängt!! :)

Mit diesen Worten verabschiede ich mich von euch und hinterlasse euch meinen 7.
Erfahrungsbericht. Er ist etwas kürzer geworden als die vorigen, was unter anderem daran liegt, dass mittlerweile wirklich alles so normal ist, dass ich über mein alltägliches Leben nicht mehr viel zu schreiben weiß.
Im nächsten und letzten Bericht werde ich über die „talleres de verano“ (Sommerworkshops) von Sueniños und über eine 2-wöchigen Friedensbeobachtung in einem kleinen Dorf hier in Chiappas schreiben, die ich schon seit Anfang meines Jahres hier machen wollte.

Seit gespannt und bis dahin lasst es euch gut gehen und passt auf euch auf!
Eure Tine

Montag, 7. Juni 2010

Fotos Mai

Fotos zu Mai -



wieder etwas zum Staunen

Mittwoch, 2. Juni 2010

6. Erfahrungsbericht


„Ejército de Zapatista de Liberación Nacional“
Zapatistische Nationale Befreiungsarmee
Abkürzung: EZLN

im Alltagssprachgebrauch: Zapatisten


INHALT:
1) Gründung
2) Anhänger
- Revolutionäre Frauengesetz
3) Politische und soziale Ziele
4) 1. Januar 1994
- Menschenrechtsverletzungen wie das Massaker von Acteal
5) Situation heute

1. Gründung
Die EZLN wurde am 17. November 1983 gegründet. Ihre Wurzeln lassen sich jedoch in den
unabhängigen Campesino- und Indígena-Organisationen (Bauernorganisationen) der 70er und 80er Jahre finden. Es war ein Zusammenschloss aus ganz verschiedenen Bevölkerungsgruppen, die alle gemeinsam ein Ziel hatten: eine Veränderung, da sie mit ihrer momentanen Situation
unzufrieden waren. Bis die als Befreiungsarmee gegründete EZLN richtig Fuß fasste, dauerte es jedoch eine Weile, da durch die Unterschiedlichkeit der Ideen ihrer Mitglieder es zunächst unmöglich schien, ein gemeinsames Ziel zu verfolgen. Innerhalb der ersten zehn Jahre entwickelte sich die EZLN mehr zu einer Guerillaarmee, da ihre Vorgehensweise nicht selten
(gerade zum großen Aufstand 1994) bewaffnet ablief. Am 1. Januar 1994 trat die EZLN das erste Mal in die breite Öffentlichkeit und es ist das zentrale Datum, wenn man von den Zapatisten spricht. Doch dazu später mehr…
In der Selva Lacandona, einem Urwaldgebiet an der Südostgrenze Mexikos wurde die Partei 1983 also gegründet. Seit dem gewann sie mehr und mehr Anhänger und ist heutzutage eine der aktivsten linksgerichteten rebellischen Parteien, die mittlerweile nicht nur in Mexiko und Lateinamerika, sondern auf der ganzen Welt bekannt ist. Ihr Name lässt sich zurückführen auf Emiliano Zapata, einen der historischen Führer der mexikanischen Revolution, in dessen Tradition sich die EZLN sieht.
Daher werden sie auch Zapatistas (oder auf Deutsch „Zapatisten“) genannt. Emiliano Zapatas Leitspruch „Justicia, tierra y libertad“ – Gerechtigkeit, Land und Freiheit – ist ebenfalls zum Leitspruch der Zapatisten geworden.

2. Anhänger
Wie schon erwähnt weist die EZLN eine hohe Diversität an Anhängern auf. Auch innerhalb der Partei gibt es verschiedene Züge, was schon zu einigen Abspaltungen und inneren (teils auch bewaffneten) Konflikten führte.
Im Allgemeinen findet sich in der EZLN jedoch der Teil der Bevölkerung zusammen, der sich unrecht behandelt, ausgestoßen und benachteiligt fühlt. Im weitesten Sinne ist das die (untere) Mittelschicht bis hin zur „letzten Stufe“, den indigenas, die in Mexiko sehr häufig immer noch nicht als Teil der Bevölkerung angesehen werden und die grundlegendsten Rechte eines Menschen nicht genießen dürfen. Die indigenas machen den größten Teil der Zapatisten aus, dazu kommen Land- und Fabrikarbeiter, Studenten und benachteiligte Frauen und Kinder, vor allem aus den Bergregionen des Hochlandes Chiapas. Chiapas und der Osten Mexiko ist nach wie vor Hauptschauplatz des Zapatismus. Hier befinden sich auch die 5 Hauptsitze der EZLN, die sogenannten „caracoles“ (Schneckenhäuser).
Den Frauen kommt in der EZLN eine ganz besondere Rolle zu. Sie werden in die Regierung mit einbezogen und sind als voll- und gleichwertiges Mitglied der Partei angesehen. Dies ist wirklich revolutionär, da Frauen in Chiapas nach wie vor mit hoher Diskriminierung zu kämpfen haben und oftmals werden sie durch ihren Mann ausgebeutet oder dürfen nicht entscheiden ob und wen sie heiraten. Im Durchschnitt muss jede indigene Frau fünf minderjährige Kinder versorgen, dazu ihre Männer und weitere Familienangehörige. Die vielen Geburten schwächen ihre Gesundheit und sind eine häufige Todesursache. Diese Umstände brachten die Frauen im zapatistischen Umfeld dazu, sich für ihre Gleichberechtigung einzusetzen. Sie begannen als Frauen für die Guerilla zu kämpfen, gründeten aktivistische Frauengruppen und brachten sich sogar in die Regierung mit ein, die vorher ganz streng Männersache war. Auch innerhalb der zapatistischen Familie brachte dies große Veränderung mit sich. So war Frau nicht mehr bloß Hausfrau, sondern die häusliche Arbeit so wie das Kinderaufpassen wurde gerecht auf beide Partner verteilt.
Die Verabschiedung des „Revolutionären Frauengesetztes“ am 8. März 1993 wird von den
Zapatisten häufig als Revolution innerhalb der Revolution bezeichnet. 1996 wurde das Frauengesetz erweitert und beinhaltet nun 31 Punkte, die das Leben der Frau um einiges
erträglicher und gerechter machen.

Das Revolutionäre Frauengesetz von 1993:
Erstens: Frauen haben, unabhängig von Rasse, Glauben, Hauptfarbe oder politischer Orientierung, das Recht, sich am revolutionären Kampf an der Stelle und in dem Ausmaß zu
beteiligen, wie ihr Wille und ihre Fähigkeit es erlauben.
Zweitens: Frauen haben ein Recht auf Arbeit und auf eine gerechte Entlohnung.
Drittens: Frauen haben das Recht, zu entschieden, wie viele Kinder sie bekommen und aufziehen können.
Viertens: Frauen haben das Recht, sich an den die Gemeinden betreffenden Anliegen zu beteiligen und öffentliche Posten zu bekleiden, wenn sie dazu frei und demokratisch gewählt worden sind.
Fünftens: Frauen und Kinder haben das Recht, bei Gesundheitspflege und Ernährung an erster Stelle berücksichtigt zu werden.
Sechstens: Frauen haben ein Recht auf Bildung.
Siebtens: Frauen haben ein Recht, ihren Partner frei zu wählen und nicht zur Heirat gezwungen zu werden.
Achtens: Keine Frau darf geschlagen oder körperlich misshandelt werden. Verbrechen wie versuchte oder vollzogene Vergewaltigung werden schwer bestraft.
Neuntens: Frauen können Führungspositionen in der Organisation und militärische Grade in den revolutionären Streitkräften begleiten.
Zehntens: Frauen kommen in den Genuss aller Rechte und Pflichten, die in den revolutionären Gesetzen und Vorschriften vorgesehen sind.

3. Politische und soziale Ziele
Die EZLN richtet sich gegen den Neoliberalismus und kämpft als linke Organisation gegen die kapitalistische Globalisierung und setzt sich für eine autonome Selbstverwaltung ein. Im Gegensatz zu anderen Guerillabewegungen geht es ihr jedoch nicht darum, die Macht im Staat zu übernehmen. Sie kämpft vielmehr im Allgemeinen um eine Veränderung in der Politik. Dabei ist nebensächlich, welche Partei letztendlich an die Macht kommt, Hauptsache sie verfolgt die Ziele einer im Sinne des Volkes handelnden Regierung. „Mandar obedeciendo“ – gehorchend befehlen, ist eine der Hauptaussagen der EZLN. Das Volk soll Hauptakteur sein und autonome Strukturen auf kommunaler und regionaler Ebene sollen aufgebaut werden. Die Regierung soll lediglich als ausführende und leitende Hand des Volkes dienen, sich aber voll und ganz nach dessen Interessen richten. Dabei gebe es kein vorgeschriebenes Gesetz wie die Regierung zu handeln habe. Dies sei abhängig von der momentanen Situation und der Bedürfnisse der Menschen. „Preguntando caminamos“ – fragend gehen wir voran, ein weiteres Basiselement der EZLN, soll deutlich machen, dass die Regierung flexibel sein muss und ihr Handeln stets skeptisch hinterfragen müsse. Mit dem großen Aufstand 1994 zeigte die EZLN, dass sie politische Entscheidungen nicht stillschweigend hinnimmt und sich (auch rebellierend) für ihre Ziele einsetzt. Mit der Einführung des NAFTA-Abkommens am 1. Januar dieses Jahres habe die mexikanische Regierung die Wirtschaft schutzlos einem Wettbewerb mit den internationalen Unternehmen ausgesetzt, denen Mexiko nicht gewachsen sei. Die EZLN kritisiert darüber hinaus, dass die Kleinbauern nun völlig vor ihrem Ende ständen und Arbeitslosigkeit und Verhungern als Folge sähen. Kleine und mittelständige Betriebe hätten keine Chancen mehr auf dem Markt und die Reichtumsverteilung in Mexiko werde sich noch mehr verstärken. Auch den „Plan Puebla-Panamá“ lehnen die Zapatisten strikt ab, da er für die ärmere Bevölkerung bloß negatives zur Folge hätte. Ganze Bevölkerungen sollen umgesiedelt werden, damit Straßen und Häfen gebaut, Elektrizität gewonnen und die Bereiche Handel, Tourismus und Verkehr verstärkt werden können. Gewinner dieses Vorhabens seien abermals lediglich die Elite der Länder. Die EZLN fordert die Rücknahme dieses Planes und fordert Autonomie für die ländlichen und indigenen Gemeinden.


4. 1. Januar 1994
Mit der Einführung des NAFTA-Abkommens rat die EZLN das erste Mal öffentlich in Erscheinung. Maskierte Kämpfer besetzten gleichzeitig fünf Bezirkshauptstädte im Osten von Chiapas, unter anderem die für den Tourismus sehr bedeutende Stadt San Cristóbal de las Casas. Sie erklärten der mexikanischen Regierung den Krieg und ihren Willen, bis nach Mexiko-Stadt zu marschieren um dort die Regierung zu stürzen. Die mexikanische Armee reagierte mit einer Gegenoffensive und bei der Rückeroberung der vier besetzten Orte und den sich anschließenden zwölftägigen Kämpfen wurden etliche Menschen getötet, ehe die Regierung die Kämpfe einstellte. Nach einigen Tagen des Kampfes zogen sich die Zapatisten aus den Städten in die schwer zugänglichen Dschungeltäler zurück, in der die sie unterstützende indigene Bevölkerung lebt. Am 9. Februar 1995 folgte ein Überraschungsangriff der mexikanischen Armee, der zum Verlust einiger wichtiger Stützpunkte der Zapatisten führte. Des Weiteren wurden mehrere zehntausend Soldaten der mexikanischen Armee entlang der wichtigsten Straßen positioniert, damit sie so die Vorgehensweisen und Entwicklungen der Zapatisten besser kontrollieren konnten. Neu ins Leben gerufene paramilitärische Gruppen der Regierung sind verantwortlich, dass seitdem immer wieder blutige Überfälle auf zapatistische und sympathisierende Gemeinden stattgefunden haben. Menschenrechtsverletzungen stehen in den Bergregionen des Hochlandes Chiapas an der Tagesordnung. Eins der grausamsten Vorkommnisse war das Massaker von Acteal am 22. Dezember 1997. Bei dem Überfall ermordeten Paramilitärs 45 Menschen, darunter Kinder und schwangere Frauen. Polizei und Militär hätte eingreifen können, verließen jedoch nicht ihre Posten. Die Opfer gehörten einer christlich-gewaltfreien Gruppe „las abejas“ – die Bienen an, die den politischen Forderungen der EZLN nahe stehen. Diese Angriffe gehören zur Strategie des „Krieges niederer Intensität“, durch welche die EZLN aufgerieben werden sollte.

5. Situation heute
Am 9. August 2003 wurden die sogenannten „caracoles“ (Schneckenhäuser) gegründet. Das sind fünf regionale Verwaltungszentren, in denen die zapatistische Regierung ihren Sitz hat. Diese Regierung ist ihrer Bevölkerung sehr nahe und gemäß dem Demokratieverständnis der EZLN ist es sehr wichtig, dass alle Belange der jeweiligen Region in dessen Interesse gelöst werden. Dabei werden auch die Anliegen von Anwohnern bearbeitet, die nicht zapatistisch sind. Der Aufbau von mehr Autonomiestrukturen ist für die EZLN ein wichtiger Punkt, um der „ignoranten offiziellen Politik gegenüber der indigenen Bevölkerung Mexikos entgegenzutreten“. Es existieren seit 1995 auf kommunaler Ebene 38 autonome Gemeinden, die nun in den fünf caracoles zusammengefasst wurden. Sie alle haben ein regierungsunabhängiges Gesundheits und Bildungssystem, einkommensschaffende Projekte sowie ihre eigene Infrastruktur. An einer eigenen Gesetzgebung arbeiten sie noch. Anfang Januar 2006 begann eine auf mehrere Monate

angelegte Diskussionstour, in der Subcommandante und EZLN-Sprecher Marcos quer durch Mexiko reiste, um eine breite politische Bewegung zu schaffen. Im März 2007 begann eine zweite Phase, um ein Kampfprogramm gegen das derzeitige politische System zu entwickeln. Diese sogenannte „andere Kampagne“ ist geprägt von Demonstrationen und Märschen. Trotz ihrer seit elf Jahren anhaltenden Waffenruhe und ihrem Rückzug in die Urwälder hat die EZLN ihr politisches Anliegen medienwirksam voranbringen können. Der mexikanischen Gesellschaft ist die Problematik der Situation der unterprivilegierten indigenen Bevölkerungsschichten erstmals auf breiter Basis bewusst geworden. Ermutigt durch das Auftreten der EZLN hat es in weiten Teilen Mexikos nach 1994 mehrere zivile Protestkampagnen gegeben. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass immer noch viel Arbeit geleistet werden muss, bis die soziale Ungleichheit zwischen indigenas und dem Rest des Landes völlig abgeschafft ist. Nichtsdestotrotz hat die EZLN einen großen Schritt dazu beigetragen, dieses Problem wieder öffentlich und zu einem aktuellen Thema zu machen – und das weit über den amerikanischen Kontinent hinaus. Mit verschiedenen zivil-politischen Initiativen setzt sich die EZLN für eine Verbesserung der Lage der indigenen Bevölkerung, eine Sozialisierung der mexikanischen Volkswirtschaft und die Demokratisierung Mexikos ein. Gleichzeitig wird sie jedoch nach wie vor bedroht und immer wieder angegriffen, einerseits von rechtsgerichteten Paramilitärs, aber auch von der Regierung selbst, die fürchtet, dass die EZLN zu stark wird und so die Regierung und ihre Ideen schwächen könnte. Ein Versöhnen zwischen der Regierung und der EZLN ist in naher Zukunft sehr unwahrscheinlich.


*** Un mundo donde quepan muchos mundos
- Eine Welt in der viele Welten Platz finden ***

weiteres Demokratieprinzip der EZLN

Freitag, 23. April 2010

Fotos März/ April





April



5. Erfahrungsbericht

In diesem Bericht werde ich zum Einen über meine Reise nach Nicaragua und dem Zusammentreffen aller Mittelamerika-Freiwilligen meiner Organisation berichten.
Der andere große Teil dieses Berichts wird über meine Osterferien gehen, in denen ich die zwei Wochen genutzt habe, andere Teile dieses wunderschönen Landes Mexiko kennenzulernen.
Ich hoffe, dass ihr als Leser somit einen kleinen Eindruck über die beiden Länder erhaltet. Mir haben die zwei Reisen sehr gefallen und ich habe wieder einmal soviel Neues gesehen und erlebt, was ich sicher nie vergessen werde.
Für einen besseren Eindruck ist es schön, sich auch die Fotos anzusehen. Eine Auswahl ist für euch im Internet hochgeladen.
Viel Spaß beim „Reisen“ durch Nicaragua und Mexiko wünsche ich euch nun…

Nicaragua – ein wunderschönes kleines Land mit einer gewaltigen Tier- und Pflanzenvielfalt, sehr netten Menschen, aber auch viel Armut!
Knapp drei Wochen durfte ich hier verbringen und die Eindrücke, die ich mit nachhause bzw. zunächst mit nach Mexiko nehme, finden kaum Platz in meinem braunen Reiserucksack, der mich hier überallhin begleitet.

Anfang März begann das Zwischentreffen von WI e.V., das sind 10 Tage Seminar mit Diskussionen und Austausch über unsere bisherige Dienstzeit, über Erlebnisse, über das restliche halbe Jahr, über weitere Zukunftspläne usw… Tage, die ich sehr gut nutzen konnte und sich für mich als sehr hilfreich erwiesen haben. Darüber hinaus war es total schön die anderen Freiwilligen wiederzusehen und wir verbrachten lange Nächte mit Erzählungen über unsere Einsatzländer – die Kultur, unsere Projektkinder, die Landschaft, Reisen, die Menschen dort… Auch wenn die Dominikanische Republik, Guatemala, Nicaragua und Mexiko auf der Weltkarte so dicht beieinander liegen und alle die gleiche Sprache sprechen, konnten wir nicht genug davon bekommen mehr von den Anderen zu erfahren. Dinge, die nach einem halben Jahr für uns mittlerweile der Tagesordnung angehören, schienen für die anderen unvorstellbar – genauso wie sie für uns anfangs vielleicht unvorstellbar schienen… Doch ich finde es schön zu sehen, wie man sich an alles gewöhnt und ich für meinen Teil kann nun sagen, dass Mexiko nicht mehr nur irgendein Land ist – nein ich würde behaupten dieses Land mittlerweile schon recht gut zu kennen und es für seine positiven und auch negativen Seiten schätzen gelernt zu haben. Gerade nach meinen zwei Wochen umher reisen bin ich noch einmal sehr viel reicher an Wissen über Mexiko geworden. Aber dazu im 2. Teil des Berichts…

Gewohnt haben wir die 10 Tage sehr schön und ruhig, ca. 20km außerhalb von Masaya, in einer religiösen Einrichtung, mitten in der Natur gelegen. Die Äffchen haben uns quasi zum Frühstück mit ihrem Gekreische „begrüßt“  Ich nenne den Gebäudekomplex „religiöse Einrichtung“, da es weder eine Kirche, noch ein Kloster war. Die Frauen dort sprachen wir mit hermana an, was so viel wie Nonne heißt und sie waren alle sehr nett zu uns.
Für verschiedene Aktivitäten verließen wir diesen Ort und begaben uns in die nächst größere Stadt Masaya. Den Dietzenbachern sollte nun ein Lichtlein aufgehen – genau, dies ist unsere Partnerstadt!! Deshalb waren diese Tage für mich besonders interessant, denn so konnte ich diese Stadt recht gut kennen lernen und mein Eindruck ist durch und durch positiv. Masaya hat ca. 140.000 Einwohner und ist ein ruhiges Städtchen – typisch für Nicaragua würde ich sagen. Viele Touristen zieht es dort nicht her, bloß für den bekannten Kunsthandwerkmarkt schauen einige vorbei.

Einen Tag hatten wir komplett frei und ich entschied mich mit drei anderen Freiwilligen mir den „Volcano Masaya“ anzuschauen. Dieser Vulkan ist noch aktiv, wenn auch dies bloß durch die austretenden Schwefeldämpfe und nicht durch Lavaausbrüche deutlich wird. Der Krater dieses Vulkans ist gewaltig, schätzen würde ich ihn auf mindestens 1km Durchmesser.
Um diesen Vulkan zu besichtigen ließ sich eine Tour buchen oder man konnte auf eigene Faust bis zum Krater gelangen. Wir entschieden uns für die zweite Variante, hatten jedoch keine Lust entlang der 5km langen Betonstraße den Berg hochzuwandern. Nicht lange überlegt, Arm ausgestreckt, Daumen hoch – die alt bekannte Methode. Wir mussten auch nicht lange warten und schon nahm uns ein nettes älteres Pärchen hoch bis zum Krater. Auf dem Rückweg machten wir es nicht anders, ich fuhr bei offenem Kofferraum hinten mit und hatte somit einen genialen Ausblick wie sich der Vulkan immer mehr von uns entfernte  Auch zu unserer Unterkunft schafften wir es ohne einen Cent auszugeben und das bei keiner Wartezeit länger als 5 Minuten. In Nicaragua ist trampen wirklich die Fortbewegungsmethode überhaupt! Und da sowieso fast nur Pick-ups unterwegs sind genießt man seine Strecke dann bei frischem Fahrtwind und sonnend auf der Ladefläche 
Ein weiteres Mal gingen wir in Masaya auf die Müllhalde, damit uns das große Müllproblem Nicaraguas deutlich bewusst wird. Für mich war dies ein ganz extremes Erlebnis, denn es stank wirklich gewaltig, die Hitze machte das Ganze nicht erträglicher und es arbeiteten tatsächlich Frauen und Kinder an diesem Ort. Glücklicherweise leben sie nicht dort, doch das ist leider eher eine Ausnahme. An vielen Orten müssen die Familien sogar in dem Dreck wohnen.
Dieser Besuch war für mich also ein sehr prägendes Erlebnis, genauso wie die Arbeit mit Straßenkindern in einem Armenviertel Masayas. Dies war ein anderer Tag, an dem wir in die Stadt fuhren. Mit dem Prinzip der „mobilen Schule“ (wen es interessiert, der kann sehr viel mehr darüber nachlesen auf der Seite www.mobileschool.org – es ist eine geniale Sache finde ich!) gingen wir in die Viertel und luden die Kinder ein, mit uns zu spielen. Schnell erklären lässt sich das Aussehen der mobilen Schule als einen ca. 2x1 Meter ziehbaren Kasten, der sich auf bis zu ca. 5 Meter Länge ausklappen lässt. An den Wänden sind verschiedene Spiele, Aufgaben und Bilder angebracht, die je nach Thema gewechselt werden können. Wenn die Kinder mitmachen wollen, suchen sie sich eine dieser laminas aus und können sich daran probieren. Das Wichtigste bei der Arbeit mit den Kindern ist (und so fordert es das Prinzip der mobilen Schule) loben, loben, loben. Es soll nicht unbedingt ein Lerneffekt erzielt werden bei der Arbeit, Kernpunkt ist, dass das Selbstwertgefühl des Kindes gesteigert wird. Anfangs war es für mich etwas seltsam ein Kind loben zu sollen, wenn die Aufgabe doch eigentlich falsch war. Doch mit der Zeit findet man sich damit zurecht und merkt, dass man wirklich und auch ernsthaft loben kann – war die Aufgabe vielleicht nicht richtig gelöst, aber ein Zwischenschritt oder Ansatz stimmte, wird das Kind eben dafür gelobt und so weiter.
Meine Erfahrung bei dieser Arbeit wurde noch mehr verstärkt dadurch, dass wir in einem Viertel arbeiteten, in dem viele „huelepegas“ sind. Huelepegas sind Klebstoffschnüffler. Mit ihnen muss man ganz besonders arbeiten. Bestimmt drei Mal in der Minute holen sie ihre Plastikflasche heraus, die sie unter ihrem Hemd tragen und ziehen mit der Nase den Geruch ein. Der Klebstoff gibt ihnen ein Gefühl des Taubseins – Hunger und Schmerzen werden so übergangen, doch gleichzeitig sind die Kinder in diesem Zustand sehr eingenommen und können nicht mehr klar denken. Bei ihnen hat die Arbeit wirklich nur den Hintergrund, dass einfach mal jemand zuhört und sie ein Highlight am Tag haben. Diese Kinder leben auf der Straße und werden von der Gesellschaft als der letzte Dreck gesehen. Während der Arbeit habe ich mich mit einigen von den Kindern besonders intensiv beschäftigt und das was ich gefühlt habe als ich neben ihnen saß, werde ich nie wieder vergessen. Ein 10-jähriger Junge nahm sich eine Gitarre und fing an zu singen. Er sang darüber, dass er doch eigentlich ein gutes Kind sei, dass Gott ihn sicherlich in den Himmel lasse, dass die anderen Menschen ihn jedoch bloß als das Letzte ansähen. In dem Lied bedankte er sich auch dafür, dass die Deutschen immer kämen und mit ihnen spielten und für sie da seien. Dieser kleine Junge hat mich so berührt und hier habe ich gemerkt, wie sehr die Arbeit der Freiwilligen wirklich gebraucht wird.
Auf dem Heimweg dachte ich viel darüber nach, ob die Arbeit der Freiwilligen dort mehr gebraucht wird als z.B. bei mir in Sueniños. Ich kam zu keinem Entschluss, die zwei Projekte sind zu unterschiedlich um sie zu vergleichen. Es steht jedoch fest, dass Nicaragua noch mal ein ganzes Stück ärmer ist als Mexiko, das habe ich in den zwei Wochen erfahren.

Auf meinem Nachhauseweg bis nach San Cristóbal (das sind effektiv 48h Busfahrt mit einigen Pausen und einer Übernachtung in San Salvador) machte ich einen Zwischenstopp in

***GUATEMALA ***

Das hatte ich schon lange vorher so geplant, da ich gerne einen Vulkan in der Nähe von Antigua besteigen wollte.
So trat ich meinen Rückweg alleine an, doch schon in San Salvador machte ich Bekanntschaft mit einem netten 30-jährigen Niederländern, der seinen Job gekündigt hat und nun in Mittelamerika rumreist. Solche Menschen trifft man viel hier und irgendwie gibt es mir immer wieder das gute Gefühl, dass doch alles möglich ist, wenn man es nur will!
Mit ihm verbrachte ich den Abend und schlenderte ein wenig durch die Hauptstadt El Salvadors. Unser Hotel lag weit außerhalb des Zentrums, was es überhaupt möglich machte sich so frei auf der Straße zu bewegen. Was ich in der Zeitung las und von anderen hörte, ist die Hauptstadt nämlich wirklich kein Zuckerschlecken und im Zentrum sollte man sich nach Einbruch der Dunkelheit lieber nicht mehr aus einem geschlossenen Gebäude bewegen, wenn einem sein Leben etwas wert ist. So war ich doch froh, dass am nächsten Tag der Bus nach Guatemala weiter fuhr. Schon auf der Fahrt machte ich Bekanntschaft mit zwei Kanadier-innen in meinem Alter, die zufällig auch nach Antigua wollten. So schlossen wir uns zusammen und letztendlich verbrachte ich dort die kompletten zwei Tage mit ihnen. Wir teilten ein Zimmer und gingen gemeinsam auf den Vulkan „Pacaya“. Dies war ein großes Highlight meiner ganzen Reise. Ca. zwei Stunden führte uns der Weg bis an den Fuß des Vulkans. Dort angekommen standen wir tatsächlich bloß einen Meter von der glühenden Lava entfernt, die Hitze so stark, dass man sich nur für ein schnelles Foto in die Nähe traute. Einer Mitwandernden ist glatt die Schuhsohle geschmolzen  Als Gag brachten einige Marshmallows von unten mit und so bat sich uns ein kleiner „Snack“, bevor wir den Rückweg antraten  Um die Lava bei voller Pracht zu sehen, hatten wir uns die Nachmittagstour ausgesucht. Das hieß dann aber auch, dass der Abstieg bei völliger Dunkelheit stattfand. Ein sicherer Tritt war hier sehr von Vorteil.

So verbrachte ich also noch weitere zwei Tage in diesem Land und hatte ein neues schönes Erlebnis in meinem Rucksack mit nachhause zu tragen. Eine Sache ließ ich während der kurzen Zeit dafür leider in Guatemala – und das war mein Geldbeutel  Vielleicht auch ein wenig selbst schuld wurde mir direkt nach dem Geld abheben in Antigua auf dem Markt aus meiner Tasche mein Geldsäckchen geklaut. Darin waren etwas mehr als 80 Dollar – ärgerlich, aber nun weiß ich eben, dass eine offene Tasche ohne Reisverschluss auf einem vollen Markt keine gute Idee war…
Mexiko – ein Land, was ich meine nun schon recht gut zu kennen. Zumindest sehr viel besser als jedes andere Land Mittelamerikas. Trotzdem hat mir die letzte Reise noch einmal sehr viel mehr und neue Eindrücke über dieses Land und seine Menschen gegeben. Der Teil „Mexiko so wie Tine es kennt“ in meinem Kopf ist noch einmal deutlich gewachsen.

Über die gesamten zwei Wochen hatte ich durchgehend nette Reisebegleitung – extra aus Deutschland eingeflogen  Die erste Woche war ich mit Esther und Michi unterwegs, in der zweiten Woche war Sophie an meiner Seite. Es freute mich riesig diese drei Menschen wieder zusehen, die mir jeder für sich sehr viel bedeuten.

Esther und Michi kamen Mittwoch schon hier in San Cristóbal an und konnten ein klein wenig mein Leben hier kennenlernen. Ich stellte sie meinen Freunden vor und einen Tag kamen sie mit auf die Arbeit.
Freitagabend ging es dann schon los – wir nahmen den Nachtbus nach Puebla. Es ist eine schöne Stadt, im Stadtkern stehen viele alte Gebäude, die alle noch sehr gut erhalten sind. Vielmehr konnte uns diese Stadt auf den ersten Blick aber auch nicht bieten. Wir besuchten eine „Afrika Safari“ etwas außerhalb und nahmen am Abend schon einen weiteren Bus nach Guanajuato. Dort kamen wir nachts um zwei an, doch schon aus den Fenstern des Taxis wirkte dieser Ort so magisch, dass uns selbst die schleppende Müdigkeit nicht in die Betten kriegen konnte. Guanajuato wird häufig als die schönste Stadt Mexikos verkauft und ich kann nicht viel dagegen sagen. Sie ist ähnlich wie San Cristóbal, bloß zum Leben gefällt mir mein Städtchen doch noch etwas besser, weil es einfach „echter“ wirkt. Guanajuato ist sehr reich, wenn nicht sogar die reichste Stadt Mexikos, alles ist extrem sauber, Armut wird völlig vertuscht oder sie existiert nicht und man könnte sich ebenfalls in einer Stadt im Kolonialstil Spaniens befinden. Guanajuato ist in einem Tal gebaut und die bunten Häuser so wie sie die gesamte Stadt schmücken, ziehen sich in den Außenbezirken bis ganz hoch die Hänge entlang. Die Atmosphäre, die sich dadurch ergibt ist traumhaft – auch wir genossen dieses fotografische Bild am nächsten Morgen von der Dachterrasse unseres Hostels aus. Ansonsten konnte man Stunden damit zubringen durch die kleinen Gässchen zu spazieren, an jeder Ecke einen Café zu trinken oder dem bunten Treiben der Stadt zuzusehen. Die zwei Tage waren für uns sehr entspannend und nach den zwei langen Busfahrten eine gute Abwechslung.
Nach Guanajuato war das nächste Ziel Guadalajara, eine Stadt ca. 8h Autofahrt nordwestlich von México City. Was uns aber eigentlich so weit in den Westen trieb war nicht Guadalajara selbst, sondern Tequila, ein kleines Dorf zwei Stunden westlich gelegen. Und wofür dieses Dorf bekannt ist brauche ich wohl nicht zu erwähnen  Rund herum wachsen die grünblauen Agavepflanzen, aus denen der Tequila gewonnen wird. Allerdings darf hierfür nur eine gewisse Sorte verwendet werden und auch der Reifeprozess ist streng vorgegeben. Wir besuchten eine Distillerie, ließen uns die verschiedenen Schritte erklären und zum Schluss durfte natürlich probiert werden! Von ganz jungem bis hin zu 4 Jahre lang gelagertem Tequila und Likören aller Geschmacksrichtungen – die Auswahl war groß! Esther und ich ließen es uns nicht nehmen wirklich alles einmal zu probieren, wann würden wir denn das nächste Mal wieder dorthin zurück kommen? Und unser Tip für alle, die nicht wissen welches Alter am besten ist: Uns hat der 8-monatige Tequila am besten geschmeckt 
Dann ging es zurück nach Guadalajara, denn von dort fuhr unser Nachtbus nach México City. Ich freute mich riesig auf die Hauptstadt – zum einen wäre es das erste Mal für mich in einer solch großen Stadt zu sein und zum anderen war ich sehr gespannt darauf welchen Eindruck ich von der Hauptstadt Mexikos bekommen würde.
Unter den Mexikanern wird die Stadt einfach „D.F.“ (ausgesprochen „de-effe“) genannt, das heißt so viel wie districto federal. Und die Fläche dieser Stadt ist wirklich enorm. Auch bedingt durch den Smog den diese Stadt über sich wirft, kann man nur selten bis ganz zum Ende sehen. Dieses Glück sollte auch uns nicht gewährt werden als wir auf dem „torre latinoamericano“ – ein sehr hohes Gebäude im Stadtzentrum – standen. Die sechs Tage verbrachten wir weitestgehend in der Stadt, schlenderten durch verschiedene Viertel, schauten uns einige Museen an und legten uns in verschiedene Parks. Die Stadt wirkte auf mich bei weitem nicht so unruhig wie mir vorher erzählt wurde. Auch was die Sicherheit anging gab es keine Situation, in der mir mau zu mute war. Natürlich bewegten wir uns hauptsächlich im Stadtinneren und in den Touristengebieten und ich bin mir sicher, dass ich dieses Sicherheitsgefühl in den meisten Außenbezirken nicht gehabt hätte. Nett gemeinte Tipps wie „geh vom Hostel bloß nicht vier Blocks weiter in Richtung Osten, da wird es gefährlich…“ ließen einen dies ahnen, spüren jedoch nicht wirklich… Mein Eindruck, so wie ich ihn in der kurzen Zeit gewinnen konnte, war durch und durch positiv. Das einzige was mir in dieser großen Stadt etwas fehlte, waren gemütliche Cafés zum Hinsetzen und Entspannen. Da mag ich von San Cristóbal aber auch etwas sehr verwöhnt sein?!
Vielmehr gab es die typischen mexikanischen Restaurants mit lauter Schaukel- und Tanzmusik genannt „banda“, Plastikstühlen und billigem, aber sehr leckerem Essen. Generell ist das Essen in Mexiko wirklich gut und sehr variantenreich. Abwechslungsreich kann ich wohl nicht sagen, da wirklich immer tortillas dabei sind (das sind die kleinen runden Teigfladen aus Mais) und scharfe Soßen (salsas) zum Verfeinern, für den der es etwas pikanter mag! Von tacos über tortas, tamales, platano frito, carne asado, … der Gaumen hat die Auswahl. Hauptsache tortillas werden mitserviert! Gerade in meinen drei Wochen in Nicaragua sind mir die Vorzüge des mexikanischen Essens sehr bewusst geworden. Wo es dort teilweise frühs, mittags und abends das gleich gab – nämlich Reis mit Bohnen, genannt gallo pinto, frittierte Banane und frittiertes Hühnchen mit extrem viel Fett, kann ich mich hier doch einer guten Auswahl an Essen erfreuen, ebenfalls viel mit Gemüse. So kann ich es mir nicht nehmen lassen des öfteren auch mal auf der Straße zu essen – und das für spott Preise. Anfangs wurde es mir noch mit Durchfall oder einem grummeligen Magen gedankt, mittlerweile passiert das nur noch sehr sehr selten 
Drei weitere Highlights in Mexico waren die Osterprozessionen, ein Wrestling-Kampf und der Besuch aztekischer Ruinen in Tenochtitlan. Letzteres machten wir als einen Tagesauflug von México City aus. Die zwei bekanntesten Pyramiden „piramida del sol y piramida de la luna“, die höchste 60m hoch waren sehr beeindruckend. Gerade wenn man bedenk,t wann sie gebaut wurden und mit viel Sorgfalt die Azteken damals am Werk waren.
Einen Tag schauten wir uns wie erwähnt die Osterprozessionen an. Ich dachte sie würden hier in Mexiko ähnlich zelebriert wie in Spanien, wurde letztendlich aber etwas enttäuscht oder vielleicht besser gesagt eines besseren belehrt. Das Ganze war ziemlich kitschig und mir kam es so vor als wollten sich die Leute einfach verkleiden und dass der Hintergedanke bei allem etwas verloren gegangen ist. Nichtsdestotrotz war auch das ein neuer Eindruck, den ich sammeln konnte.
Und als letztes gingen wir einen Abend noch zum lucha libre. Darauf hatte ich mich im vornhinein schon riesig gefreut! Meine Projektkinder haben immer schon von den Kämpfern erzählt und wirklich jeder Mexikaner war wohl mindestens einmal schon bei einem Kampf. Dummerweise hatte ich Esther und Michi verloren, sodass ich mir alleine die Show ansehen musste. Doch wieder einmal hatte ich Glück im Unglück und wurde auf den Reporterbalkon eingeladen. So hatte ich super Sicht und habe gleichzeitig noch ein Interview führen sollen, was später im Radio ausgestrahlt wurde. Das Beste war jedoch, dass ich nach dem Kampf mit hinter die Arena durfte, habe bei Interviews gelauscht und zwei Fotos Arm in Arm mit den Wrestlern machen können  Eigentlich mag ich Kampfsportarten und generell solche Gewaltszenen gar nicht, doch der Abend war einfach genial! Besonders Spaß hatte ich daran die Zurufe und Kommentare des Publikums zu belauschen 

Mit diesen weiteren Highlights und einer gefüllten Woche Rundreise neigte sich der Urlaub von Esther und Michi schon leider dem Ende zu. Mit einem letzten Frühstück auf der Dachterrasse unseres Hostels mit Blick auf die Kathedrale musste ich mich Sonntag schon von Michi und Montag dann auch von Esther verabschieden.
Alleine blieb ich jedoch trotzdem nicht… Kaum hatte ich Esther verabschiedet, kam auch schon Sophie durch die Türen der Ankunftshalle marschiert und mit ihr verbrachte ich die letzte Woche dieser Mexikoreise. Auf jeden Fall ruhiger, aber auf keinen Fall besser oder schlechter – einfach anders wie man so schön sagt 

Mit ihr ging es direkt vom Flughafen zum Busterminal. Wir nahmen den Nachtbus nach Oaxaca, der uns über eine ziemlich kurvige Strecke in 7h bis an unser Ziel brachte.
Da wir nicht vorhatten eine Nacht in dieser Stadt zu verbringen, sondern direkt weiter zum Strand wollten, war dieser Tag ziemlich vollgepackt… Als die Stadt gerade noch am Erwachen war, liefen wir schon durch das Zentrum und klapperten die wichtigsten Sehenswürdigkeiten wie Kirchen und Plätze ab. Oaxaca ist eine wirklich schöne Stadt und nach meinem Eindruck sehr ruhig. Als wir dort waren wurde das Stadtbild jedoch ein wenig durch verschiedene Baustellen getrügt.
Von Oaxaca aus machten wir eine Tagestour in die umliegenden kleinen Dörfer. Haltepunkte waren ein mächtiger und sehr alter Baum in Tule, Ruinen in Mitla, eine Teppichknüpffabrik, eine Mezcal-Distillerie (ähnlich wie Tequila) und „Hierva El Agua“ – nichts anderes als heiße Quellen.
Dies nahm den ganzen Tag in Anspruch, sodass uns nur noch Zeit für ein schnelles Abendessen im mercardo blieb. Ich genoss dies mit „mole“, eins meiner Lieblingsessen in Mexiko und in Oaxaca ganz besonders berühmt, da dort die gute Schokolade herkommt, die Bestandteil einer der mindestens 30 Zutaten dieses Gerichts ist.
Nach Oaxaca war unser nächster geplanter Busstopp eigentlich Pochutla gewesen. Wir müssen die Müdigkeit vom Vortag allerdings sehr stark gespürt haben – mit der Folge, dass wir unseren Stopp verpassten und erst zwei Stunden
später in
Puerto Escondido aufwachten. Der Zufall hatte es wohl so gewollt und wir entschieden uns einen Tag an diesem Strandort aufzuhalten. Das war eine wirklich gute Entscheidung wie sich später heraus stellte. Es erwartete uns ein weißer Sandstrand, traumhafte Palmen, kleine cabañas – Hüttchen direkt am Meer und ein super netter Hostelbesitzer, der uns zur Begrüßung direkt eine Kokosnuss vom Baum schlug. Hier ließ es sich leben, nach dem ganzen Stress entspannten wir erstmal am Strand und ließen es uns bei einem leckeren Frühstück gut gehen. Wirklich aktiv wurden wir den Tag auch nicht mehr, für den nächsten hatten wir dann einen Einstiegssurfkurs gebucht. Puerto Escondido ist bekannt für seine guten Wellen und es wimmelt nur von Surfern aus aller Welt. Dass wir zwei jedoch auch einmal aufs Board steigen würden, hatten wir vorher nicht gedacht. Mit dem Lehrer vereinbarte ich einen Deal: wenn wir nach der Klasse nicht ein paar Sekunden auf dem Board gestanden hätten wenn eine Welle kommt, würde die Bezahlung ausfallen und stattdessen gäbe es nur ein gemeinsames Bier am Abend. Abgemacht!! Und tatsächlich, vor allem Sophie zeigte sich in so guter Form, dass die Bezahlung nicht bloß durch ein Bier abgetan werden konnte und wir zwei einen wirklich genialen Vormittag hatten mit vielen Wellen, blauen Flecken an den Hüftknochen und sehr viel Spaß!
Viel länger konnten wir aus Zeitgründen an diesem Ort leider nicht verbringen und nahmen schon mittags den Bus in Richtung Süden nach Mazunte, zu einem weiteren etwas kleineren Strand. Etwas ganz Besonderes war hier unsere Unterkunft – Hängebetten genannt „estrellas“. Ich kann wirklich nicht sagen eine erholsame Nacht gehabt zu haben, bedingt durch die vielen Moskitos und das Schaukeln, dass dieses Bett hervorrief, doch wie oft hat man im Leben die Möglichkeit auf einer Klippe mit Meerblick und bei Wellenrauschen einzuschlafen?

Von Mazunte fuhren wir noch zwei Strände weiter in den Süden, um in Zipolite die letzten zwei Tage unseres wunderschönen Urlaubs zu verbringen. Für knappe 8 Euro ein Doppelbett in einem Zimmerchen in erster Reihe mit dem Strand direkt vor dem Fenster. Wir konnten uns nur im Paradies befinden!
Und von diesem paradiesischen Ort brachte uns der Bus in 12 Stunden sicher wieder zurück nach San Cristóbal…


Und hier bin ich angekommen und nach wie vor glücklich – in einem etwas anderen, aber für mich mindestens genauso schönen Paradies…

Dienstag, 2. März 2010

Fotos Januar/ Februar


Hier mehr?

4. Erfahrungsbericht – SUENINOS

Im letzten Bericht habe ich hauptsächlich über meine Eindrücke berichtet, die ich während unserer Rundreise durch Mittelamerika gesammelt habe.

In diesem Bericht möchte ich einmal nur auf die Arbeit eingehen, auf die verschiedenen Bereiche -areas- die es bei Sueniños gibt, auf besondere Ereignisse, auf Schwierigkeiten, auf die Kinder und auf vieles mehr.
Dazu möchte ich den Bericht in 4 Teile unterteilen:

1.) Arbeit im Suenicos
2.) Sueniños allgemein
3.) „area autocuidado“
4.) „circo de los sueños“



Suenicos bedeutet „Sueniños in den colonias“ und ist im Grunde ein vereinfachtes Freizeitangebot für arme indigene Kindern, welches direkt vor Ort in ihren Wohnbezirken angeboten wird. Ein Unterschied zu dem Hauptprojekt Sueniños besteht darin, dass Suenicos für alle Kinder des Wohnbezirks offen ist, das heißt egal aus welcher Familiensituation sie stammen, die Kinder dürfen alle an dem 2-stündigen Workshopangebot am Nachmittag teilnehmen. Einzige Bedingung ist, dass sie nicht mehr als einmal die Woche fehlen und Motivation und Anstrengung zeigen. Material und sogar einen kleinen Snack kurz vor Schluss wird jedem Kind zur Verfügung gestellt.
Mir gefällt die Idee dieses Unterprojekts sehr gut. Viele der Kinder sind Straßenverkäufer und verbringen damit ihre freien Nachmittage. Durch dieses Angebot bekommen sie eine andere Perspektive und können wirklich Kind sein.
Anfangs war die Resonanz der Kinder sehr positiv. Im ersten Abschnitt boten wir drei verschiedene Workshops an: Puppen aus Kochlöffeln basteln, Trommeln bauen und Gipsmasken erstellen. Es kamen so viele Kinder (um die 60), dass wir in der ersten Woche gar nicht allen Interessierten einen Platz anbieten konnten. Da wir aber für 6 Wochen in der colonia „5° de marzo“ anwesend waren, bekamen die Kinder in den folgenden Wochen noch weitere Chancen mitzumachen. Sie durften so oft sie wollten teilnhemen, im besten Fall alle 6 Wochen. Diejenigen, die mit Freude dabei waren nahmen wir besonders gerne von Woche zu Woche wieder neu in unsere Workshops auf.
Ich arbeitete mit Barbara, einer österreichischen Mitarbeitern zusammen, und wir bauten Trommeln aus Blumentöpfen mit den Kindern. Zuerst beklebten wir den Topf mit buntem Transparentpapier und bohrten ein Loch in den Boden, damit der Klangeffekt besser wird. Eine Plane diente als Trommelfell und wurde durch einige Kordeln am Boden fest zusammengeknotet und gespannt.
Neben der Konstruktion der Trommeln legten Barbara und ich ebenfalls großen Wert darauf, dass die Kinder lernten wir man mit Musik umgeht und welchen Effekt diese hervorrufen kann. Dies brachten wir ihnen mit Klatsch- und Rhythmusübungen näher. Zum Ende eines jeden Workshops hin gestalteten wir mit den Kindern ein kleines Orchester, in dem auch die selbstgebastelten Trommeln ihren Einsatz fanden.
Des Weiteren machten wir jeden Freitag, sprich am Ende einer Workshopwoche, eine kleine Präsentation, in der die verschiedenen Gruppen mittels einer einfachen Show ihre Arbeiten vorstellten. Dies diente dazu, dass die Kinder eine bessere Vorstellung bekamen, was genau in den anderen Workshops gemacht wurde und darüber hinaus lernten sie so vor einer größeren Gruppe aufzutreten.
Außerdem war ein großes Highlight für die Kinder, dass sie ihre Arbeiten mit nachhause nehmen durften! Sie genossen die Zeit im Suenicos sehr.
Umso trauriger und unverständlicher war es für mich, dass es vor Beginn der Workshops für uns so viel Aufwand und Überzeugungskraft kostete, überhaupt die Erlaubnis der colonia zu bekommen, dort arbeiten zu dürfen. Es hieß wir würden den Kindern keinerlei Vorteile verschaffen, stören und doch alles nur aus eigenem Interesse tun.

So war es zunächst ebenfalls schwierig unseren Plan umzusetzen, die gemeinsame Weihnachtsfeier „posada“ von Sueniños und Suenicos in der colonia 5° de marzo zu veranstalten. Letztendlich leisteten wir jedoch gute Überzeugungsarbeit und die Weihnachtsfeier war ein voller Erfolg! Die Kinder von Sueniños zeigten verschiedene Performances zu Jonglage, Clownerie, Hullahuppreifen und einer selbst entworfenen, ca. 3 Meter großen Riesenpuppe, die von den Kindern geführt wurde.
Wir von Suenicos hatten mit den Kindern 2 Wochen vor der Feier angefangen ein kleines Theaterstück mit Tanz- und Musikeinlagen einzustudieren, was wir an dem besagten Tag unter dem Titel „viaje de los angeles“ (Die Reise der Engel) vorführten. Es klappte super, ich war richtig stolz auf die Kinder.
Alle Eltern, Geschwister und Lehrer waren ebenfalls eingeladen und mit einem solchen Publikum wurde der Tag zu einem vollen Erfolg und mit einem kleinen Geschenk für jedes teilgenommene Kind beendet.

Insgesamt lässt sich sagen, dass die Arbeit im Suenicos wirklich interessant ist, da man mit sehr unterschiedlichen Kindern zusammen arbeitet. Deutlich wird dies z.B. dadurch, wie verschieden die Kinder an eine Aufgabe herangehen und wie unterschiedlich der Erfolg am Ende ist. Bei einigen beobachtete man ein sehr positives und selbstständiges Arbeiten, andere wiederum konnten mit 10 Jahren kaum einen Kreis ausschneiden. Auch in ihrer Verhaltensweise ließen sich große Unterschiede zwischen den Kindern feststellen. Einige waren sehr fordernd, andere total schüchtern und wiederum andere wirklich frech.
Da es jedoch für fast alle das erste Mal war an einem solchen Freizeitangebot teilnehmen zu können, waren sie sehr dankbar für unsere Arbeit. Dies machte mir sehr viel Freude!
Nun -einige Monate später- kann ich sagen, dass diese offensichtliche Dankbarkeit im Sueniños leider einigen Kindern schon verloren gegangen ist…

Jetzt mögen sich einige wundern und fragen: Wie das fehlt ihr jetzt? Arbeitet sie denn nicht mehr mit den Kindern in Suenicos zusammen?
Richtig, es hat ein Wechsel gegeben und seit Januar arbeite ich nun wieder im Hauptprojekt Sueniños. Wie es dazu kam und meine Beweggründe möchte ich im übernächsten Abschnitt dieses Berichtes gerne weiter erläutern.


Zunächst aber einmal zu Sueniños. Sueniños („Traumkinder“) ist das Hauptpojekt der Organisation DESAC (desarollo educativo Sueniños Asociación Civil), der Ort an dem die Kinder die meiste Zeit verbringen. Es ist ein Zentrum am Rande der Stadt, welches einigen Kindern der zwei Viertel 5° de marzo und 1° de enero ein komplettes Nachmittagsprogramm und Unterstützung in jeglicher Hinsicht bietet. Ich habe selbst noch nicht herausfinden können, nach genau welchen Kriterien die Kinder ausgesucht werden, die hierher kommen dürfen. Zur Zeit finden 39 Kinder der Primaria (Grundstufe) und 13 „pollitos“ („Hühnchen“ – sprich die ganz KleinenJ ) ihren Platz.
Nach der Schule werden sie mit zwei Bussen heraufgebracht und bekommen zunächst einmal eine warme Mahlzeit und haben freie Spielzeit. Danach beginnen um 15h zwei Stunden „area“. Das heißt, die Kinder dürfen zwischen fünf verschiedenen Bereichen jeweils für eine Stunde wählen. Angebote sind eine Bibliothek, kreatives Gestalten, Hausaufgabenhilfe, Körperpflege und ein Bereich, in dem die 8 Teilleistungen spielerisch verbessert werden sollen.
In der Bibliothek mit dem Namen „Buho soñador“ sollen Lesefertigkeiten und kreatives Schreiben geschult werden. Im kreativen Bereich, welcher den Namen „Colores de Quetzal“ trägt wird viel gebastelt und gemalt. Die Hausaufgabenhilfe „Sabio Jaguar“ lässt sich mit der Nachhilfe vergleichen und im Salon der 8 Teilleistungen „Canto de Caracol“ arbeiten zur Zeit zwei Freiwillige mit den Kindern u.a. an der Verbesserung ihres optischen und akustischen Unterscheidungs- und Erinnerungsvermögens. Als fünfte area wird die Körperpflegea geboten. Diese area trägt den Namen „agua del cielo“ – „Wasser des Himmels“ und ist mein Arbeitsbereich. Hierauf werde ich später noch sehr viel genauer eingehen.

Nach den zwei Stunden area gibt es eine Stunde proyecto. Das Thema hierzu wechselt ca. drei Mal im Jahr. Angefangen wurde mit dem Thema „Reisen durch die Kulturen“. Angeboten wurden die vier Kulturen Massai (Afrika), Maya (Mexiko), China und Griechenland. Die Kinder durften zu Anfang der Etappe entscheiden, über welche Kultur sie mehr lernen möchten. Diese Möglichkeit des Auswählens ist ein wichtiger Punkt in Sueniños – die Kinder sollen selbst entscheiden dürfen, was ihnen den meisten Spaß macht und wo sie sich am besten einbringen können. Mit den areas wird es genauso gehandhabt, es ist völlig und allein die Entscheidung der Kinder für welche zwei Bereiche sie sich an einem Tag entscheiden. Die tutorias, also Tutoren überprüfen am Ende der Woche lediglich, dass ein Kind nicht 5 Mal zum kreativen Gestalten gegangen ist und niemals seine Hausaufgaben machte…

Wieder zurück zur Stunde der proyecto von 17-18 Uhr. Nach der Etappe des „Kulturprojekts“ gab es ein relativ offen gehaltenes „circo-proyecto“ mit den Angeboten Clownerie, Jonglage, Riesenpuppen entwerfen und rhythmische Sportbewegung und Tanz. Teile dieses Zirkusprojektes wurden damals während der großen Weihnachtsfeier in der colonia von den Sueniños-Kindern aufgeführt.
Nach den Weihnachtsferien begann ein sehr großer neuer Abschnitt der 1-stündigen Projektphase: Das Thema „Zirkus und Schauspielerei“. Dazu gab es folgende fünf Gruppen: Schauspieler, Cheerleader, Clowns, Pyramiden und Fallschirm. Von 17-18h probten die Kinder täglich in ihren Gruppen eine kleine Performance, die am 6. Februar – dem 5. Geburtstag Sueniños – im Stadtzentrum aufgeführt werden sollte. Die Zeit war nicht lang und so mussten die Kinder alles geben, damit am Ende ein so wunderbarer Auftritt des „el circo de los sueños“ möglich war.
Dieses Riesen-Event werde ich in diesem Bericht als 4. Punkt noch sehr viel genauer beschreiben. Ebenfalls wie meine Arbeit mit den Kindern der Pyramidengruppe verlief – in der Vorbereitung, als auch während des großen Auftritts.

Jetzt möchte ich jedoch noch kurz den Tagesablauf im Sueniños fertig erläutern und auf einige weitere Punkte dieses Hauptprojekts eingehen…
Um 18h, wenn also die Stunde des proyecto vorbei ist, bekommen die Kinder einen kleinen Snack, genannt „merienda“. Dies ist meist eine Schale Milchreis, ein paar Kekse und Kakao, Pfannkuchen oder Haferschleim. Wirklich gesund ist die merienda nicht und deshalb bin ich kein großer Fan von dieser. Ganz im Gegenteil dazu muss ich aber sagen, dass das Mittagessen für die Kinder sehr gesund gekocht wird. Drei Mal die Woche gibt es Fleisch, eigentlich immer Gemüse und Reis und natürlich – schließlich leben wir hier in Mexiko J - tortillas zum Essen.
Nach der merienda haben die Kinder eine knappe halbe Stunde, um sich im Garten einfach auszutoben, zu schaukeln, Murmeln zu spielen oder was ganz vielen große Freude bereitet, Seil zu springen. Dabei singe ich immer:

„ La baca lechera, le dijó a lechero, pagame la renta del mes enero – febrero, marzo, abril, mayo, junio, julio, agosto, septiembre, octubre, noviembre, diciembre.
Changita, changita date la vuelta, date vuelta, toca el piso y salta por afuera!”

Dieses Lied haben mir die Mädels beigebracht J
Um halb sieben circa kommen die zwei Busse, um die Kinder nach einem langen Tag nachhause zu bringen.
Dann ist auch ein Arbeitstag für mich bei Sueniños beendet, ich schwinge mich auf mein Fahrrad und fahre ca. 30 Minuten bis nachhause.

Was es sonst noch zu Sueniños zu sagen gibt ist, dass es vor fünf Jahren von einem Österreicher Christian und seiner mexikanischen Frau Alma gegründet wurde. Ihr Traum war es, so vielen Kindern wie möglich ein sinnvolles Freizeitprogramm nach der Schule anzubieten. Gerade Kinder solcher Familien, die kein Geld haben ihren Kindern viel zu bieten und wo die Kinder oft zum Familieneinkommen mit beitragen müssen, sollten ihren Platz im Sueniños finden.
Die Eltern bezahlen kein Geld dafür, dass ihre Kinder an diesem Programm teilnehmen. Einzige Verpflichtung ist, dass sie einmal im Monat zu Sueniños kommen und für einen Tag in der Küche und beim Putzen mithelfen. Des Weiteren finden jeden Sonntag Workshops für die Eltern statt, die u.a. gesunde Ernährung, Umgang mit den Kindern, Hygiene etc. behandeln. Hier müssen die Eltern regelmäßig teilnehmen, damit ihr Kind weiterhin zu Sueniños kommen kann. Wenn ich hier von Workshops für Eltern spreche, muss man das allerdings ein wenig einschränken. Bis auf ganz wenige Familien (vielleicht zwei oder drei) sind es doch immer nur die Mütter, die zu den Sonntags-Workshops kommen oder in der Küche helfen.
Viele Kinder von Sueniños haben keinen Papa, weil dieser weggelaufen, gestorben oder dem Alkohol verfallen ist… Darüber hinaus ist der machismus auch in Mexiko nach wie vor weit verbreitet, sodass es der Mann gar nicht einsieht, warum er sich die Mühe machen sollte zu helfen. Das ist sehr schade!

Eine weitere Unterstützung, die Sueniños den Familien gibt ist materieller Art. Am Anfang des Schuljahres bekommt jedes Kind Blöcke, Stifte und einen Ranzen geschenkt. Darüber hinaus bekommen die Familien für ihre Kinder in bestimmten Zeitabständen neue Hosen, Schuhe und Socken für die Kinder. Diese Unterstützung ist sehr wichtig, wobei ich mir nicht immer ganz sicher bin wo beispielsweise die neuen Klamotten landen. Dennoch kommen nämlich viele Kinder mit stinkigen Klamotten und Schuhen, deren Sohle schon komplett durchgelaufen und durchlöchert ist, ins Projekt. Außerdem sehen es die Mütter teilweise als eine Selbstverständlichkeit an, dass alle ihre zehn Kinder (und nur zwei von ihnen sind Teil des Sueniños) diese Geschenke erhalten und wollen mehr und mehr.
Dies ist ein Problem, dass mir auch schon bei den Kindern deutlich wird. Sueniños ist eben ein reiches Projekt und bietet den Kindern viel. Aus dem Grunde geht es meiner Meinung nach teilweise verloren die kleinen Dinge zu schätzen und Geschenke sind für einige nichts Besonderes mehr. Dies finde ich schade, doch es ist sehr sehr schwer hier ein Mittelmaß zu finden…
Klar ist, dass Sueniños eine tolle Möglichkeit für die Kinder ist, die nicht vielen Kindern offen steht.


Im letzten Abschnitt habe ich erwähnt, dass während der zwei Stunden von 15-17h areas angeboten werden. Nun möchte ich genauer meine area „autocuidado“ beschreiben.

Seit Januar arbeite ich hier mit Lisa, einer österreichischen Freiwilligen und sehr guten Freundin zusammen.
Dass ich nun wieder Teil des Hauptprojekts bin und nicht mehr bei Suenicos arbeite, hatte ich schon im 1. Abschnitt kurz erläutert.
Ich möchte, dass ihr ein wenig besser versteht, warum dieser Wechsel für mich nötig oder vielleicht doch besser gesagt ein großer Wunsch für mich war…
Die Arbeit mit den Kindern in Suenicos an sich hat mir sehr viel Spaß gemacht und war wirklich interessiert. Traurig war, dass diese Arbeit mit den Kindern täglich nicht mehr als zwei, teilweise sogar nur ein und halb Stunden bedeutete. Der Rest war Planungsarbeit im Team, Vorbereitung der Stunden, Aufbauen und Abbauen der Materialen und Bewertungen schreiben. Diese Arbeit fand ich anfangs noch interessant, doch langfristig gesehen (auch in Proportionalität zur eigentlichen Arbeit) wurde ich damit nicht glücklich. Mir fehlte der Kontakt zu den Kindern und darüber hinaus war es schwierig eine wirkliche Beziehung zu ihnen aufzubauen, da sie von Woche zu Woche wechselten. Eng arbeitete ich mit Barbara zusammen, die eigentlich aus Österreich stammt, damals auch Freiwillige in Sueniños war, sich dann aber entschied ihr Leben hier in Mexiko fortzuführen. Von ihr konnte ich viel lernen, fand es aber gleichzeitig auch schade, in einer „europäischen Gruppe“ zu sein und nicht das mexikanische Arbeiten zu erleben. Die Workshops mit den Trommeln waren eine tolle Idee, gerne hätte ich darüber hinaus jedoch noch ganz eigene neue Ideen eingebracht und weitere, andere Dinge angeboten.
Aus diesen Gedanken heraus erstand letztendlich mein Wunsch innerhalb des Projektes zu wechseln.
Ich führte einige Gespräche mit der Projektleitung und mit Barbara und nach den Weihnachtsferien hieß es dann ein Wechsel wäre machbar. Ich war sehr glücklich über diese Entscheidung und vielleicht ging mir dadurch auch ein wenig verloren, wie viel Aufwand dieser Wechsel für Sueniños an sich doch bedeutete. Im Nachhinein erfuhr ich, dass sowohl die Projektleitung, als auch Barbara nicht wirklich glücklich mit meinem Wunsch waren, auf der anderen Seite mir aber auch kein nein geben wollten, da ich mit meiner damaligen Arbeit nicht zufrieden war.
So standen nach dem Wechsel einige Missverständnisse und nicht so schöne Dinge zwischen mir und dem Projekt, was mich seelisch ziemlich mitnahm. Ich hatte nicht gedacht, dass der Wechsel so negative Folgen haben könnte, gleichzeitig war ich aber doch sehr viel glücklicher mit meiner neuen Arbeit. So suchte ich später noch einmal das Gespräch, versuchte meine Beweggründe noch mal genauer zu beschreiben und sagte, dass ich ganz sicher nicht so viele Schwierigkeiten und Aufwand durch den Wechsel hervorrufen wollte. Ich denke das Gespräch war ein erster guter Ansatzpunkt, nichtsdestotrotz spüre ich immer noch einige negative Spannungen – und das macht mich sehr traurig!

Nun gut, jetzt arbeite ich also mit den Kindern des Sueniños zum Thema „autocuidado“, übersetzt in etwa „Selbstpflege“ zusammen. Im weitesten Sinne behandeln wir hier den eigenen Körper – was er von innen und von außen braucht, damit ich mich wohlfühle und es mir gut geht. Gesunde Ernährung ist hierbei ein wichtiges Thema und wird immer wieder angesprochen. Klar, dass solche Themen Kinder im Alter von 6 bis 14 eher weniger interessieren. Darum ist es eine große Herausforderung dies irgendwie ansprechend für sie zu gestalten.

Viel Zeit nimmt die aktive Körperpflege ein. Wenn es genügend Wasser gibt, dann bilden wir 4er Grüppchen Jungs und Mädchen getrennt, die eine halbe Stunde Zeit haben, um sich zu duschen und die Haare zu waschen. Für die Mädels ist es immer etwas ganz besonderes, wenn man ihnen zum Schluss einen Klecks Spülung in die Hand gibt J
„Dame más, dame más, quiero mi cabello muy suave…“ (Das heißt so viel wie „gib mir viel, ich will dass mein Haar schön weich wird“ )
So schaffen wir es also, dass an einem Tag mit Wasser ca. 35 Kinder die Chance haben sich frisch zu machen. Dieser Teil der area ist sehr wichtig, da viele der Kinder zuhause nicht die Möglichkeit haben sich zu duschen und natürlich fühlen sich bei einem dreckigen Körper Viren und Bakterien wohler, als bei einem frisch geduschten. Aus diesem Grund bekommen die Kinder im Sueniños zwei Mal im Jahr eine Läusekur. Dies ist sehr wichtig – sei sie vorbeugend oder schon dringend notwendig.
Nach dem Duschen geben wir den Kindern Creme, sie schneiden ihre Finger- und Fußnägel und die Jungs bekommen ein wenig Gel. So wie für die Mädels die Spülung, ist für die Jungs das Gel immer ein Hit und nicht selten passiert es, dass sie so viel davon benutzen, dass sie am Ende eher einer Ölsardine ähneln J Doch jedes Mal nach dem Duschen und Pflegen fühlen sich die Kinder sehr wohl in ihrer Haut und so soll es ja sein...
Momentan gibt es leider nur sehr selten genügend Wasser zum Duschen. Die Regenzeit fängt erst im Mai an und so kann es vorkommen, dass wir knapp zwei Wochen hintereinander den Kindern keine Möglichkeit zum Duschen bieten können.
Ist dies der Fall, müssen Lisa und ich die Kinder andersweilig beschäftigen.
Die letzten Wochen haben wir mit ihnen das Thema „mi cuerpo“ – mein Körper – angesprochen. Dazu wogen und maßen wir jedes Kind, rechneten den BMI aus, sprachen über den Aufbau des Körpers, seine Funktion und über die verschiedenen Körperteile. Außerdem schnitten wir in diesem Zusammenhang das Thema Hygiene an und machten mit den Kindern zwei Wochen lang jeweils die ersten 15 Minuten jeder Stunde einen „competición de la evaluación de la limpieza“ – eigentlich nichts anderes als einen Wettbewerb zur Sauberkeit. (Wettbewerbe sind immer ein super Ansporn für die Kinder, das habe ich schon gelerntJ)
Je nachdem wie ordentlich die Kinder ihre Nägel schnitten, ob sie mit gekämmten Haaren in die area kamen oder ob die Finger gründlich gewaschen waren, bekamen sie eine Punktzahl von 1-3. Am Ende der zwei Wochen stand ein Sieger fest, der von uns ein kleines Geschenk passend zum Thema bekam. Das Siegermädchen bekam Nagellack und einen Lipgloss und der Junge eine riesige Dose Gel!

Als zweites großes Thema behandeln wir gerade das Thema „nutricion“ – gesunde Ernährung. Angefangen haben wir mit einem Ernährungszirkel, der die verschiedenen Typen Essen aufzeigt. Hiermit wollen wir in den Kindern ein Bewusstsein hervorrufen, dass es wichtig ist sich ausgewogen, gesund und v.a. abwechslungsreich zu ernähren. Allerdings sind wir uns gleichzeitig nicht sicher, wie effektiv es wirklich ist, den Kindern diese Notwendigkeit deutlich zu machen. Letztendlich hängt es davon ab, was zuhause auf dem Tisch steht und das ist (auch aus Geldgründen) leider oft nicht das Beste. So gibt es zum Frühstück bei vielen Familien bloß Tortilla mit Café, das ist billig und stillst zunächst einmal den Hunger. Das wenige Geld, dass die Kinder bekommen um sich z.B. in der Schule eine Kleinigkeit zu kaufen, geben sie fast immer für „dulce“, also Süßigkeiten aus.
Für die Zukunft in der area planen wir deshalb mit den Kindern kleine Snacks zuzubereiten, die leicht gemacht und gesund sind. Vielleicht schaffen wir es dass sie merken, dass nicht nur Süßigkeiten lecker sind. Die nächsten Tage wollen wir beispielsweise mit einigen wenigen Kindern auf den Markt gehen, frisches Obst kaufen und daraus licuados machen. Licuados sind typisch für alle lateinamerikanischen Länder – lecker, frisch und total simpel. Eine Frucht wird mit Wasser oder Milch in den Mixer geworfen, vermischt und fertig ist ein gesunder und sättigender Drink. Außerdem planen wir mit den Kindern Haferflockenkekse, Obstsalat, einen grünen Salat, selbst gebackenes Brot und einige leichte Aufstriche zuzubereiten.
Neben diesen „ereignisreichen“ Stunden ist es uns auch sehr wichtig über ernste Themen wie Über-/ Untergewicht, Drogen- und Alkoholmissbrauch und Folgen von ungesundem Essen zu sprechen. Hierfür werden wir uns wahrscheinlich die Hilfe einer der maestros, also einer der festangestellten Mitarbeiter, erbitten. Das Spanisch ist zwar im Vergleich zu Anfang schon unglaublich gut und bei den Kindern hat man schon seinen Standpunkt gefunden, dennoch ist es für uns Freiwillige schwierig, dass die Kinder bei solch wichtigen und für sie weniger interessanten Themen wirklich mitmachen und einen Lerneffekt daraus ziehen.
Denn einfach über ein Thema erzählen, bei dem ich weiß, dass die Kinder am Ende genauso wenig wissen wie vorher, das möchte ich nicht…

Wenn das Thema der gesunden Ernährung abgehakt ist, haben Lisa und ich uns für die zwei weiteren großen Blöcke Gesundheit und als 4. Thema Sport entschieden. Ich denke damit wird dieses Schuljahr gut ausgefüllt sein und ich werde in Zukunft natürlich weiter berichten, welche (hoffentlichen) Erfolge in der area „autocuidado“ zu sehen sind und wie die Kinder die Themen aufnehmen.


El circo de los sueños“, das wahrscheinlich größte und bedeutendste Event in diesem Schuljahr für die ganze Organisation DESAC.
Wie schon weiter oben erwähnt, wurde Sueniños dieses Jahr 5 Jahre alt und das sollte gefeiert werden.
Öfters schon haben die Kids kleine Präsentationen einstudiert und diese vorgeführt. Dieses Mal sollte jedoch das erste Mal sein, dass Sueniños seine Pforten öffnet und die Kinder außerhalb, vor offenem Publikum, mitten im Stadtzentrum San Cristóbals ihr Können und ihre harte Arbeit der vorangegangenen Wochen präsentieren.
Nach den Weihnachtsferien gingen die Vorbereitungen los. In den fünf Gruppen Schauspieler, Cheerleader, Clowns, Pyramiden und Fallschirm probten wir jeden Tag eine Stunde mit den Kindern, in der Woche vor der großen Show sogar fast die ganzen 3 Stunden, die die Kinder im Projekt waren.
Die Idee war folgende: Ein Kind legt sich nach einem anstrengenden Schultag schlafen und träumt davon, was es später einmal werden möchte. Dieser Traum und die darin vorkommenden verschiedenen Berufe wurden durch die Gruppe der Schauspieler in fünf kleinen Sketchen vorgeführt. Als erstes träumte das Kind vom Beruf „maestro“ also Lehrer, daraufhin wollte es „medico“ Arzt werden, der nächste Traum war „roquero“ Rockstar, als viertes träumte es von einem „artista“ – Künstler und zuletzt wollte es „scientifico“ Wissenschaftler werden. Die Sketche wurden stumm gespielt, das heißt dass alle Geräusche und Effekte technisch mit eingespielt wurden. Der Idee dahinter war, dass die Kinder ohnehin schon sehr aufgeregt waren (für viele war es das erste Mal überhaupt auf der Bühne zu stehen) und wir wollten vermeiden, dass sie plötzlich ihre kompletten Texte vergessen. Jeder Sketch beinhaltete darüber hinaus einige kleine Witze, sodass es für die Zuschauer sicher nicht langweilig wurde.

Zwischen den Sketchen traten die vier weiteren Gruppen mit ihren Showeinlagen auf. Mit den sechs Kindern, mit denen ich in einer Gruppe arbeitete, probten wir fünf verschiedene Pyramiden ein. Von Zwei-Mann- bis tatsächlichen Sechs-Mann-Pyramiden war alles dabei. Als Nebeneffekt studierten wir eine kleine Show mit verschiedenen Bewegungsabläufen ein und alles präsentierten wir zum Lied Mission Impossible.
Der Tag des 6. Februar, auf den alle so lange gewartet hatten, begann für uns Mitarbeiter und Freiwillige schon sehr früh. Das ganze Material musste ins Zentrum gebracht und die Zirkusarena aufgebaut werden.
Gleichzeitig verteilten wir Flyer an Passanten, vor allem Familien mit Kindern, um sie auf die Zirkusvorstellung, die für alle zugänglich und gratis sein sollte, aufmerksam zu machen. Schon hier merkten wir, dass es wohl ein großes Event werden würde, denn viele zeigten großes Interesse.
Mittags empfingen wir die Sueniños-Kinder in Stadtzentrum. Mit ihnen hieß es letzte Informationen austauschen, ihren Auftritt noch einmal durchgehen und anschließend in den Fußgängerzonen mit kleinen Showeinlagen und weiteren Flyern Werbung für den Abend zu machen.

Um halb sechs begann der erste Teil des circo de los sueños – ein riesiger Aufmarsch „desfile“ mit allen beteiligten Kindern durch das Stadtzentrum San Cristóbals. Passanten und Kinder, die sich unserem Marsch anschließen wollten, wurden dazu herzlich eingeladen und bekamen Rasseln und Masken geschenkt, um dem Ganzen einen noch größeren Auftritt zu verleihen.
Die Stimmung war super und eine große Masse an Menschen zog so vom „Santa Domingo“ – dem Kunsthandwerkmarkt der Stadt mit uns in Richtung Zentrum, wo die Zirkusmanege schon in ihren bunten leuchtenden Farben strahlte.
Als alle Platz gefunden haben und der Vorplatz gut voll war, begann der Hauptteil der Präsentation: Der eigentliche circo de los sueños. So wie wir es die zwei Wochen vorher einstudiert hatten, führten die Schauspieler ihre Sketche vor und die anderen Gruppen glänzten mit ihren Showeinlagen zwischendrin. Es war großartig!
Zu aller letzt versammelten sich alle Beteiligten in der Manege des Zirkuszelts und wir sangen gemeinsam das Sueniños-Lied. Symbolisch wurde ein kleiner Heißluftballon losgelassen, der wie die Träume auf zum Himmel steigen sollte…


Dies war mein 4. Bericht, ich hoffe ihr fandet ihn genauso interessant wie die vorigen und habt nun eine noch bessere Vorstellung, was ich hier zum Großteil meiner Zeit – nämlich in der Arbeit im Sueniños mache.

Anfang März werde ich zusammen mit Judith, Schoko und Schorsch nach Nicaragua reisen, da wir dort für knapp zwei Wochen ein Treffen mit allen anderen WISE-Mittelamerika-Freiwilligen haben.
Wenn ich zurück komme werde ich eine weitere Woche arbeiten und dann fangen hier die Osterferien mit den traditionellen Umzügen der Semana Santa an. Drei Freunde aus Deutschland werden mich zu dieser Zeit besuchen und wir werden gemeinsam in Mexiko rumreisen.
Im nächsten Bericht werdet ihr also sicher einiges über neue Eindrücke und andere Gegenden (v.a. Zentralmexiko und die Hauptstadt) lesen können.

Bis dahin wünsche ich euch allen alles Gute, dass in Deutschland auch so langsam der Frühling rauskommt und in weiter Ferne Frohe Ostern J

Vor allem wünsche ich auch Jeannette viel Kraft in Deutschland und hoffe, dass alles so klappt wie sie sich es wünscht.
Wie ja sicher die meisten wissen, habe ich bisher mit Jeannette und Judith in einer 3er-WG zusammen gelebt. Jeannette ist jedoch aus persönlichen Gründen diese Woche zurück nach Deutschland gekehrt. Wir vermissen sie hier sehr und wünschen ihr das Beste!


Fühlt euch alle gedrückt, ganz liebe Grüße aus Mexiko,
eure Tine